Für ein Währungsregister der Zentralbank
Vollgeld-Bilanzierung bei Zentralbank und Banken

Schreibtisch Buchhaltung.jpg

Der vorliegende Text befasst sich mit der Frage, wie Vollgeld bei Zentralbank und Banken am besten verbucht und bilanziert werden kann.[1] Mit der Materie vertraute Leserinnen und Leser mögen zur Einleitung die 'Kernpunkte zusammengefasst' am Schluss lesen. Unabhängig davon erscheint es sinnvoll, zunächst einmal diejenigen Eigenschaften eines reinen oder auch nur teilweisen Vollgeldsystems darzulegen, die für die Fragestellung besonders relevant sind.     

Eigenschaften einer Vollgeldordnung im Unterschied zum heutigen Giralgeldregime

Eine Vollgeldreform ersetzt das Giralgeld der Banken durch Vollgeld der Zentralbank.  Bislang existiert Vollgeld in Form von Münzen und Noten. Dieses Bargeld kommt von der Zentralbank und gelangt über die Banken in den allgemeinen Umlauf (in den Publikumsverkehr unter Nichtbanken). Ebenso existiert Vollgeld als Zentralbankguthaben der Banken bei der Zentralbank. Die Guthaben der Banken bei der Zentralbank stellen Kontovollgeld dar, die sog. Reserven, teils als Überschussreserve im Interbankenkreislauf, überwiegend jedoch in brach liegender Mindestreserve. Infolge einer Vollgeldreform würde auch das Giralgeld der Banken zu Kontovollgeld zur Zirkulation auf Vollgeldkonten im Publikumsverkehr, samt kontogebundenen Geldkarten und Apps. Ein künftig ggf.. von der Zentralbank in Umlauf gebrachtes Kryptogeld wäre ebenfalls Vollgeld.

In Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz sind die nationalen Zentralbanken staatliche Währungsbehörden. Unter dieser Voraussetzung sind die Ausdrücke Vollgeld und Zentralbankgeld praktisch austauschbar. In sinngemäßer Übertragung gilt das auch für die intergouvernementale Europäische Zentralbank. Wie weit es auch für jede einzelne Zentralbank des Eurosystems gilt, die sich teilweise noch in Privatbesitz befinden, bleibe dahingestellt.

Der Übergang von Giralgeld zu Vollgeld kann im Prinzip auf zweierlei Weise erfolgen. Erstens umfassend per Stichtag, was sofort zu einem reinen Vollgeldsystem führt mit einer ab Stichtag einsetzenden Übergangsphase von fünf bis zehn Jahren, in denen alte Giralgeld-Verbindlichkeiten der Banken ausgeschleust und durch neues Vollgeld der Zentralbank ersetzt werden. Zweitens kann der Übergang möglicherweise auch graduell erfolgen, indem das Kontovollgeld einerseits und das Giralgeld auf Basis fraktionalen Reservebankings andererseits koexistieren, ähnlich wie heute noch das Giralgeld und der hergebrachte Bargeldkreislauf. Bargeld nähert sich heute längerfristig seinem Ende, während Kontovollgeld sich perspektivisch ausbreiten würde. Der Gedanke, Kontovollgeld parallel zu Giralgeld anzubieten, wurde beiläufig einmal bereits von J. Tobin geäußert. Er sprach von 'deposited currency' (deutsch in etwa 'Zentralbankgeld-Depositen'), ohne jedoch den Gedanken näher auszuführen.[2]  

Statt der ungewohnten Bezeichnung Kontovollgeld, bzw. Kontogeld überhaupt, würde man im Deutschen vielleicht eher den Ausdruck Buchgeld verwenden. Warum auch nicht, vorausgesetzt man versteht darunter liquide Zahlungsmittel, nicht stillgelegte Giroguthaben auf Spar- oder Terminkonten, und nicht bloße Verrechnungseinheiten, die ebenfalls nicht als Zahlungsmittel umlaufen (früher z.B. livres, heute z.B. Sonderziehungsrechte des IWF). In Assoziation mit den Begriffen Zentralbankkonto, Bankkonto/Girokonto, Vollgeldkonto oder kurz Geldkonto, sei hier von Kontogeld bzw. Kontovollgeld die Rede. Auch Giralgeld ist Kontogeld, jedoch ist es nicht Vollgeld.

Das von einer Zentralbank künftig möglicherweise herausgegebene Kryptogeld, so es denn wirklich als allgemeines Zahlungsmittel Eingang in das Geld- und Bankwesen findet, wäre dementsprechend als Kryptovollgeld anzusprechen. Es würde einen weiteren eigenen Geldkreislauf ähnlich dem Bargeld bilden, wobei die verschiedenen Geldformen ineinander umgetauscht werden können. Momentan verlautbart eine schnell wachsende Zahl von Zentralbanken ihr Interesse an der Emission eigener 'digital currency'. Über eine detaillierte Ausarbeitung, geschweige Implementierung, wurde bisher aber noch nichts bekannt. Auch entsteht dabei durch die uneinheitliche Verwendung der Begriffe E-Geld, elektronisches Geld, Kontogeld, digitales Geld und Kryptogeld eine gewisse Verwirrung. Den Interessenbekundungen stehen zudem wachsende Bedenken ebenfalls von Seiten der Zentralbanken gegenüber. Die Bank von England, die 2015/16 zunächst als Pionier für 'central bank issued digital currency' hervorgetreten war, hat das Thema im Frühjahr 2017 erst einmal aufgeschoben.

Wie kommt heutiges Kontogeld und alternativ dazu Kontovollgeld in Umlauf? Soweit das Giralgeldregime fortbesteht, kommen die sog. Überschuss- und Mindestreserven der Banken weiterhin durch Zentralbankkredit an die Banken in Umlauf, ebenso durch Einwechslung ausländischer Währung sowie durch Kauf von Wertpapieren über Offenmarktgeschäfte. Das Bargeld und ggf. das Kryptovollgeld können ebenfalls per Zentralbankkredit an Banken in Umlauf kommen, nach einer entsprechenden Änderung der Geldbilanzierung auch durch Zuweisung originärer Seigniorage an die Staatskasse. So oder so können die Banken Bargeld oder Kryptovollgeld gegen bereits verfügbare Reserven auswechseln.

In einer reinen Vollgeldordnung gibt es kein Reservebanking und kein Giralgeld mehr. Stattdessen kommt alles Geld in jedweder Form als gesetzliches Zahlungsmittel von der Zentralbank.
Der größte Teil davon würde langfristig durch originäre Seigniorage an die Staatskasse emittiert. Originäre Seigniorage ist der Geldschöpfungsgewinn, der entsteht, indem neues Vollgeld durch öffentliche Ausgaben in Umlauf kommt, nicht durch Kredit an Banken oder andere Finanzinstitute.  
Ein kleinerer Teil neuen Geldes, soweit für geldpolitische Maßnahmen erforderlich, käme weiterhin kurzfristig durch direkte Finanzierungs- und Offenmarkt­geschäfte mit Banken und anderen Finanzinstituten in Umlauf, oder auch  durch Einwechslung ausländischer Währung.
Nach welchen Kriterien die Geldschöpfung und Geldemission der Zentralbank durch Seigniorage oder den Bankenkanal erfolgen soll, ist nicht Gegenstand dieser Darlegung.[2a]

Durch Einführung von Kontovollgeld auch für Nichtbanken im Publikumsverkehr erfährt die Abgrenzung zwischen Banken, Schattenbanken und anderen Finanzinstituten weitere Verschiebungen oder Überschneidungen. In einem reinen Vollgeldsystem sind Banken nicht mehr monetäre Finanzinstitute in einem abgeschlossenen Interbanken-Reservenkreislauf mit exklusivem Zugang zum Zentralbank-Zahlungssystem. Sie re-finanzieren sich nicht mehr nur zu einem Bruchteil, sondern müssen wie andere Finanzfirmen ihre Kredit- und Investmentgeschäfte voll finanzieren – durch laufende Zinseinnahmen und andere Erlöse, durch Tilgungen und auf andere Weise frei werdendes Kapital, durch Geldaufnahme bei Kunden und am offenen Markt, Begebung von Anleihen und verbrieften Schuldverschreibungen anderer Art, ggf. durch Eigenkapitalaufstockung, in letzter Instanz weiterhin auch bei der Zentralbank, soweit dies im Rahmen der laufenden Geldpolitik liegt.

Zudem ist heute bereits deutlich geworden, dass der Geldservice und Zahlungsverkehr künftig auch durch andere Zahlungsdienstleister als nur durch Banken abgewickelt wird. Auch machen nicht-monetäre Institute heute den Banken schon bei vielerlei Darlehens- und Investmentgeschäften sowie der Vermögensverwaltung Konkurrenz. Durch Vollgeld, das alle Wirtschaftsteilnehmer in gleicher Weise benutzen, dürften Banken und andere Finanzinstitute einander noch weiter angleichen.

Im Kontext des bestehenden fraktionalen Reservebanking ist die Bezeichnung 'Bank' eindeutig. Eine Bank ist ein monetäres Finanzinstitut im Unterschied zu nicht-monetären Finanzinstituten (Kapitalanlage­gesellschaften, Verbriefungsvehikel, Versicherungen). Banken erzeugen Giralgeld, nicht-monetäre Finanzinstitute können dies nicht, so wenig wie andere Nichtbanken. In einem reinen Vollgeldsystem dagegen gibt es solche Unterschiede nicht mehr, da die heutigen Banken mit der Geldschöpfung nichts mehr zu tun hätten.      

Was speziell die staatlichen Zentralbanken angeht, so werden sie in einem Vollgeldsystem weiterhin als Bank fungieren, zum Beispiel durch die Bewirtschaftung der nationalen Devisenbestände, durch begrenzte geldpolitische Finanzierungsgeschäfte mit Banken und durch Offenmarktgeschäfte. Zugleich aber sind Zentralbanken von Beginn an Banken besonderer Art gewesen, als privilegierte (ursprünglich noch private) Bank des Staates und Bank der Banken, im historischen Verlauf zunehmend als Träger der staatlichen Geldhoheit, wobei das kommerzielle Bankgeschäft der Zentralbanken nach und nach in den Hintergrund getreten ist, während ihre Institutionalisierung als hoheitliche Währungsbehörde immer mehr im Vordergrund steht.

Dies gilt trotz des Sachverhalts, dass es heute in erster Linie die Banken sind, die als quasi-souveräne Giralgeldschöpfer in Erscheinung treten, per Bankkredit auf fraktionaler Basis von Zentralbank-Reserven, während die Zentralbanken das inhärent instabile private Giralgeldregime der Banken stützen und im Zusammenspiel mit der Regierung garantieren, im Krisenfall 'alternativlos' und um jeden Preis  – aus dem ebenso einfachen wie zwingenden Grund, dass heute das Geld einer Nation mit dem Bankkredit verschweißt ist. Im Krisenfall das Geld der Nation retten, heißt die Banken retten. Denn dieses Geld besteht heute zu 85–95 Prozent und in systemisch alles bestimmender Weise aus dem Giralgeld der Banken. Um die Geldversorgung zu gewährleisten und das Giralgeld zu sichern, muss man heute die Existenz der Banken gewährleisten und im Zweifelsfall ihren Interessen nachkommen, in letzter Konsequenz auf Kosten der Allgemeinheit. 

zurück zum Inhaltsverzeichnis >

Geld und Kredit

Um die Defekte des Giralgeldregimes zu beheben – und in Wiederaufnahme des zentralen Grundsatzes der Currency School auf der Höhe der heutigen Zeit – trennt eine Vollgeldreform Geld und Kredit voneinander, genauer gesagt, die Geldschöpfung der Zentralbank von der Geldverwendung bei Banken und der Finanz- und Realwirtschaft darüber hinaus. Der Bankensektor soll nicht mehr das quasi neofeudale Privileg besitzen, selbst das Geld zu erzeugen mit dem die Banken im Geschäft mit ihren Kunden operieren. Eine Vollgeldreform trennt insbesondere das Geld einer Bank vom Geld ihrer Kunden (soweit die Kunden ihr Geld einer betreffenden Bank nicht eigens überlassen als verbuchte oder verbriefte Kreditschuld der Bank gegenüber den Kunden).

Die heute vorherrschende Bankingdoktrin, gleich ob von neoklassischer oder postkeynesianischer Seite vertreten, behauptet die vermeintliche Identität von Geld und Kredit. Dies verbindet sich mit einer Etikettierung des Kreditgelds der Banken als 'endogenem Geld' oder 'inside money', während das Kreditgeld der Zentralbanken als 'exogenes Geld' oder 'outside money' angesehen wird. Von einem solchen Standpunkt aus muss die Trennung von Geld und Kredit als unstimmig, ja geradezu widersinnig erscheinen, denn man meint ja, das Geld sei Kredit bzw. Kredit sei Geld.

Einer ähnlichen Lesart zufolge habe sich der Kredit vom Geld entkoppelt. Nach Schularick/Taylor seien frühere Zeiten eines Geld-basierten Finanzkapitalismus ('age of money') abgelöst worden vom heutigen Kredit-basierten Finanzkapitalismus ('age of credit').[3] Zugespitzt formuliert: der Kredit sei an die Stelle des Geldes getreten. Das aber ist ein Ding der Unmöglichkeit. Der Bankenkredit kann sich vom Bankengeld nicht 'entkoppeln', weil das Giralgeld automatisch mit dem Kredit kommt. Ebenso erzeugt auch Zentralbankkredit an Banken unweigerlich Reserven, das Kontogeld im Interbanken-Zahlungs­verkehr.

Der Kredit ist nicht das Geld. Kredit, der in Naturalien oder Wertpapieren ausgeführt wird, kann Geld als ein reguläres Zahlungsmittel in der Regel nicht auf praktische und effiziente Weise ersetzen. Aber einer modischen Lehrmeinung zufolge ist alles als Geld benutzbar was einen Geldwert, also einen Preis besitzt. Das gelte insb. für Wertpapiere jeder Art (= Geldforderungen). Zahlungsmittel und Zahlungsversprechen werden dabei in grober Weise in einen Topf geworfen – eine Konfusion, die dem Giralgeld inhärent ist, da dieses selbst als ein Zahlungsversprechen existiert, das wie Geld benutzt wird, obwohl es keines ist, jedenfalls kein Vollgeld.

Es stimmt zwar, dass man theoretisch mit allem bezahlen kann, was für die Beteiligten einen Geldwert hat, wenn die beteiligten Parteien so übereinkommen. Deswegen ist noch lange nicht alles Geld, was einen Geldwert besitzt. Als Geld können nur weit verbreitete, allgemein und regelmäßig gebräuchliche Zahlungsmittel gelten, ubiquitäre Umlaufmittel zur Begleichung jedweder Verbindlichkeit. Geld ist weder Kredit noch Schuld, sondern ein Mittel um Kredit aus- oder zurückzuzahlen und Verbindlichkeiten aus Krediten oder Käufen definitiv zu tilgen. Von daher ist Geld 'erster Ordnung' ein gesetzliches Zahlungsmittel (Vollgeld), oder aber wie heute ein Geldsurrogat 'zweiter Ordnung' wie Giralgeld oder Geldmarktfonds-Anteile. Die letzteren beiden sind zwar allgemein verbreitet, aber doch nur als Zahlungsversprechen, auf Verlangen solche Guthaben in gesetzliche Zahlungsmittel zu konvertieren.     

Geld und Kredit, i.S.v. Zahlungsmittel und Kreditvertrag, sind zwei verschiedene Rechtssachen, die verschiedene Funktionen erfüllen. Das Giralgeld zirkuliert unter vielen Inhabern, während der Kreditnehmer, der Schuldner, stets derselbe bleibt. Als Geld fungiert nicht der Kreditvertrag, sondern das Girogut­haben. Auch die großen Volumina an Sekundärkredit unter Nichtbanken beruhen weitgehend auf Giralgeldzirkulation. Geldmarktfondsanteile, die bei Finanzgeschäften vielfach als Zahlungsmittel benutzt werden, beruhen ebenfalls auf der Investition von Giralgeld in einen solchen Fonds, der das Giralgeld seinerseits in kurzfristigen, überwiegend staatlich emittierten Wertpapieren anlegt.[4] Sonst jedoch wird mit Aktien und anderen Wertpapieren nur in gewissen Sonderfällen bezahlt. Die einstmals üblichen Handelswechsel existieren heute weniger, und wenn, zirkulieren sie nicht als Zahlungsmittel-Surrogat, sondern als Kollateral der Geldaufnahme per Kredit. Auch die Verbriefung von Krediten (forderungsbesicherte Papiere) dient der Beschaffung von Geld (Liquidität). In der modernen Welt gibt es keinen Kredit ohne sofortigen oder finalen Geldfluss. Die These einer Entkopplung von Geld und Kredit ist ebenso irreführend wie die falsche Behauptung ihrer Identität.

Die der Bankinglehre verpflichtete Begriffsbeliebigkeit bezüglich der Kategorien Geld, Kredit, Bank u.a. hat einer geradezu  babylonischen Sprachverwirrung geführt. Angeblich sei es unklar, was Geld überhaupt ist und was nicht; erstaunlich für eine Wissenschaft, die sich einer nicht-interpretativen Exaktheit verpflichtet glaubt. Was der Aufmerksamkeit aber entgangen ist, und worauf die Schularick/Taylor-These, wenn überhaupt, noch am ehesten zutrifft, ist der Sachverhalt, dass sich das Giralgeld der Banken in erheblichem Maß vom Zentralbankgeld 'entkoppelt' hat, oder richtiger gesagt, dass es die pro-aktive und zumeist krisenträchtig überschießende Kreditgeldschöpfung der Banken ist, welche die nachfolgende fraktionale Bereitstellung von Zentralbankgeld bestimmt. Dieser Sachverhalt hat zu einem weitgehenden Wirksamkeitsverlust der herkömmlichen Instrumente der Geldpolitik geführt. Richtiger wäre doch das Umgekehrte: ein von der Zentralbank effektiv kontrolliertes Geldsystem zugunsten eines flexibel re-adjustierbaren Bestands an sicherem und wertstabilem Geld, mit dem auch der Banken- und Finanzsektor gute Geschäfte machen kann. Eben darauf zielt eine Vollgeldreform. 

zurück zum Inhaltsverzeichnis >

Bisherige Ansätze der Vollgeld-Bilanzierung bei den Zentralbanken. Geld als Verbindlichkeit

Wie nun soll man Vollgeld anstelle von Giralgeld, oder aber beide parallel miteinander, verbuchen und bilanzieren? Wünschenswert ist es, so viel wie möglich der bestehenden Buchungskonventionen beibehalten zu können. Andererseits muss das Vollgeld je nach Emissionsweise und Geldform seinen adäquaten Ausdruck finden. In den bestehenden Grundsätzen ordnungsgemäßer Rechnungslegung (Standards nach IFRS/IASB und GAAP/FASB)[5] wird man die gesuchte Antwort kaum finden. Vielmehr wird die ein oder andere dieser Regeln zu modifizieren sein. Sonst kommt bei der Geldreform womöglich etwas heraus wie bei den Versuchen einer Rechtschreibreform der deutschen Sprache.

Das meine ich durchaus auch selbstkritisch, denn bisherige Ansätze zur Vollgeld-Bilanzierung orientierten sich zunächst allzu sehr am Hergebrachten. Der erste Gedanke war, man könne die heutigen Gepflogenheiten so beibehalten, müsse sich dabei jedoch der veränderten Bedeutung einer betreffenden Bilanzposition bewusst sein. So könne man die Zuweisung von originärer Seigniorage an den Staatshaushalt als Kreditforderung der Zentralbank gegen das Finanzministerium verbuchen, mit der Besonderheit, dass dieser Kredit unbefristet und zinsfrei gegeben werde, gleichsam als 'ewiger Kredit', wie der ehemalige Bundesfinanzminister K. Schiller das einmal nannte.[6] Eine staatliche Zentralbank führt ihren Geschäftsgewinn, im wesentlichen Zins-Seigniorage aus der Kreditgeldschöpfung, an die Staatskasse ab. Warum sollte für den Geldschöpf­ungs­gewinn in Form originärer Seigniorage etwas anders gelten?

Nur, originäre Seigniorage entsteht nicht aus Zinsgewinn, also nicht aus der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Zugewiesene originäre Seigniorage entsteht gerade nicht aus Kredit, sondern aus souveräner Geldschöpfung. Zudem ist das Gegenstück zu Kredit und Gläubiger nun einmal eine Verbindlichkeit und ein Schuldner, in diesem Fall der Staat mit einer Staatsschuld. Sich zurechtzulegen, eine unbefristete und unverzinste Schuld sei nur formal, aber nicht wirklich eine Schuld, also das Oxymoron einer schuldenfreien Schuld, sowie die Deklarierung von originärer Seigniorage als Gewinn, ohne dass dieser aus Geschäftsvorgängen hervorgeht, bedeuten eine unhaltbare Überdehnung des Kreditbegriffs und eine Deformierung des Schuldenbegriffs.[7]

Der Sache wird noch eins draufgesetzt, stellt man sie in den Kontext einer übersimplifizierten Saldenmechanik, bei der Zentralbank und öffentlicher Haushalt als faktisches Einerlei fehlinterpretiert werden. Dies geschieht vor allem in den Schriften der sog. Modern Money Theory, bis hin zu der schon recht surreal anmutenden These, Geldausgaben der Regierung und Geldschöpfung seien letztlich dasselbe.[8] 

zurück zum Inhaltsverzeichnis >

Was buchhalterisch-bilanziell schon lange nicht mehr stimmt

Private Banknoten des 17–19. Jahrhunderts kamen per Bankenkredit an Kunden in Umlauf. Ebenso werden Zentralbanknoten bis heute durch Zentralbankkredit an Banken herausgegeben. Der Kredit wird paarweise als Forderung und als Verbindlichkeit der Zentralbank verbucht. Das machte damals insoweit Sinn, als die Banknoten noch nicht reines Fiatgeld (staatliches Zeichengeld) waren, sondern promissory notes, eine Art Inhaberschuld­verschreibung, die einen Anspruch auf Silbergeld verbriefte. Seit Beginn des Banknotenmonopols im 19. Jhd. und der damit verbundenen Etablierung des Goldstandards fußte das Papiergeld allgemein auf dem Prinzip, das offizielle Papiergeld durch einen entsprechend großen nationalen Goldhort zu decken.

Das heutige Zentralbankgeld ist monetär durch nichts mehr gedeckt. Es handelt sich um reines Fiatgeld. Auch das Giralgeld der Banken ist nur noch durch wenig mehr gedeckt als einen normalerweise sehr geringen Bruchteil an Zentralbankgeld. Auf 100 Euro Giralgeld benötigt der Bankensektor im Euroraum heute im statistischen Durchschnitt etwa 1,4 Euro Bargeld für die Geldautomaten,  0,1–0,5 Euro Überschussreserven und 1 Euro überwiegend funktionslose Mindestreserve, zusammen also 2,5–3% des Bestandes an liquidem Giralgeld in der Publikumsgeldmenge M1.[9] 

Bankkredit ebenso wie Zentralbankkredit werden in der Regel mit Kollateral besichert. Dies ist jedoch eine Kreditausfall-Sicherheit für den Gläubiger, um sich im Schadensfall mittels des verpfändeten Vermögenstitels schadlos zu halten. Das Geld selbst ist reines Fiatgeld und durch keine andere Art von Geld gedeckt. Die Gültigkeit eines Geldes in Landeswährung wird im wesentlichen dadurch gewährleistet, dass der Staat solches Geld zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt oder der Staat Geldsurrogate wie Giralgeld im eigenen Gebrauch akzeptiert und benutzt. Der Wert des Geldes, seine Kaufkraft, ist allein durch das gedeckt, was es für Geld zu kaufen gibt, in erster Linie durch das laufend erstellte Wirtschaftsprodukt. Dieses dient auch den Vermögenspreisen (Assetpreisen) als Wertanker, auch wenn die Abhängigkeit der Assetpreise vom laufenden Wirtschaftsprodukt (= Einkommen) eher indirekter und komplexerer Natur ist.

Dennoch werden Zentralbankkredite weiter wie Zahlungs­versprechen verbucht, als würden sie auf etwas anderes als sich selbst verweisen. Bei den Banken verhält es sich etwas anders, aber ähnlich. Giroguthaben versprechen zwar auf Verlangen des Kunden die Auszahlung von Bargeld bzw. die Übertragung von Reserven im Fall einer Kontoüberweisung. Aber Bargeld und Reserven sind nur zu einem sehr geringen Bruchteil vorhanden. Wenn zu viele Kunden gleichzeitig zu viel Bargeld abheben oder zu viele Kontoüberweisungen vornehmen wollen, ist eine betreffende Bank bald illiquide und sogar insolvent (sofern sie nicht 'gerettet' wird). 

Darüber hinaus spielt Bargeld heute keine Geldsystem-konstitutierende Rolle mehr, auch wenn es in vielen Kleingeld-Transaktionen noch benutzt wird. Bargeld hat keinen eigenen monetären Ursprung mehr, sondern wird aus dem vorausgehenden Giralgeld bei Bedarf ausgewechselt. Da Banken keine eigenen Banknoten mehr herstellen dürfen, müssen sie Bargeld zu 100% refinanzieren. Das fällt jedoch nicht mehr maßgeblich ins Gewicht, da der Anteil des Bargelds an der Geldmenge M1 nur noch bei etwa 5–15%. Deshalb genügt den Banken ja ein Vorrat von 1,4% Bargeld. 

Reserven wiederum erhält ein Bankkunde ohnehin nicht, nur ein Geldsurrogat – ein Vollgeld-Substitut – in Form der Giroguthaben. Diese werden zwischen Girokonten der Kunden der eigenen Bank und anderer Banken überschrieben. Die Übertragung zu Kunden anderer Banken erfolgt heute i.d.R. durch Überweisung des Betrags in Überschussreserven durch ein Zentralbank-Zahlungssystem, womöglich aber auch durch bloße Interbankenverrechnung ohne Geldfluss. Ein Kredit kommt von daher überwiegend nicht wirklich zur Auszahlung an den Kreditnehmer bzw. Kunden. Dabei verlangen betreffende Kreditgesetze, je nach Land in sinngemäß gleicher Weise, dass der Kreditbetrag aus dem Vermögen des Gläubigers ausgeschieden und dem Besitz des Schuldners zugeführt wird.[10] Stattdessen wird das Geld dem Besitz einer anderen Bank zugeführt.

Der Sachverhalt, dass Giroguthaben an einen Bankkunden nicht in Form von Reserven ausbezahlt werden – obwohl sie es im Sinne der Gesetze eigentlich müssten – ermöglicht die Fraktionalität des Reservebanking. Denn die Interbanken-Nutzung der Reserven erfolgt viele Male schneller/häufiger als die Nutzung des Giralgelds durch die Bankkunden. Der Gebrauch des Giralgelds in der öffentlichen Zirkulation folgt grosso modo einem monatlichen Rhythmus; der fortlaufende Gebrauch der Reserven in der Interbanken-Zirkulation ist eine Sache von Sekunden und Millisekunden, zumal bei den heutigen Megabanken.

Außerdem erfolgen Zahlungen einer Bank in eigener Sache nicht getrennt von den Zahlungen der Kunden, sondern über ein und dasselbe Zentralbankkonto. Die bankinterne Überweisung von Giroguthaben benötigt ohnehin kein Geld. Sie erfolgt durch bloße Umbuchung der betreffenden Bankverbindlichkeiten von einem Kundenkonto auf ein anderes. Gerade bei Großbanken spielt dies eine Rolle.

Im Gesamtbild ist die heutige Buchungspraxis von Bankkredit bzw Giralgeld (Aktiva-Passiva-Eintrag 'Kreditkonto der Bank an Girokonto des Kunden') längst unreel, unstimmig und ambivalent geworden, so sehr, dass manche Kritiker darin eine Art von legalisierter Falschbuchung sehen.[11] Jedenfalls ist es nicht einfach zu verstehen, was an einem Geldsystem funktional sein soll, das Banken und Kunden einander zu Gläubigern und Schuldnern zugleich macht.

Auch bei den Zentralbanken ist die Verbuchung des Kreditgelds in derselben Weise unstimmig geworden, spätestens seit dem Ende der Golddollarära 1971 und damit dem definitiven Ende des Goldstandards überhaupt. Was sollte die Zentralbank nach Auszahlung eines Kredits an eine Bank dieser Bank denn noch schuldig sein? Oder umgekehrt, welchen Anspruch hätte die kreditnehmende Bank von der Zentralbank noch einzuforden? (außer der Materialgarantie, verschlissene Banknoten durch neue zu ersetzen). Der souveräne Schöpfer von Vollgeld, heute in Form von Bargeld und Reserven, der solches Vollgeld an Banken leiht, hat diesen gegenüber eine Forderung, aber keine 'Verbindlichkeit', vielmehr haben die kreditnehmenden Banken der Zentralbank gegenüber Verbindlichkeiten. 

zurück zum Inhaltsverzeichnis >

Verbuchung von Vollgeld nach dem Münzgeld- oder Eigenkapitalansatz

In Anbetracht der erläuterten Sachlage wurde der Verbindlichkeiten-Ansatz der Vollgeldbilanzierung aufgegeben zugunsten eines viel besseren Gedankens, nämlich, mit Vollgeld bilanziell ähnlich wie bisher mit Münzgeld zu verfahren, das heißt, das Vollgeld ausschließlich als Aktivum und als Eigenkapital zu behandeln, nicht als Verbindlichkeit. Vorgebracht wurde dieser Münzgeld- oder Eigenkapitalansatz – mit Unterschieden im Einzelnen, aber Übereinstimmung im Grundgedanken – bei Jackson/Dyson und Benes/Kumhof, ebenso bei Gudehus und beiden Autoren namens Th. Mayer.[12]

Was bisher die Münzen angeht, so werden sie in der Zentralbankbilanz als Aktivum erfasst und zum Nennwert an Banken gegen Reserven verkauft. Damit verlassen die Münzen die Zentralbankbilanz wieder. Der Erlös trägt nicht zum Gewinn der Zentralbank bei, da die Münzen zu pari vom Finanzministerium angekauft werden. Das Finanzministerium hat traditionell die Münzhoheit, bezahlt die Herstellung der Münzen und streicht die Differenz zum Nennwert-Erlös als Münzgewinn ein, früher Schlagschatz genannt, allgemeiner als Seigniorage bezeichnet.

Im Unterschied zu Münzen werden Banknoten und Reserven bei der Zentralbank heute als Passivum eingebucht, als Verbindlichkeit gegenüber Banken im Zuge der Kreditausstellung an Banken. Dies bringt keine originäre Seigniorage mit sich bringt, jedoch Zinserlöse durch Zinszahlungen der Banken an die Zentralbank. Die Kreditbeträge bleiben bis zur Tilgung in der Zentralbankbilanz, um bei Tilgung ausgebucht, also gelöscht zu werden.

Die Idee war nun, künftig alles neu geschaffene Zentralbankgeld, also neues Vollgeld, wie bisher nur das Münzgeld als Aktivum einzubuchen, nicht länger als Verbindlichkeit. Daraus ergibt sich im Prinzip ein Zugewinn im Eigenkapitalkonto. Bei Auszahlung des neu geschaffenen Geldes als originäre Seigniorage an die Staatskasse verlässt das Geld die Zentralbank auf beiden Seiten der Bilanz wieder. Der Bestand an umlaufendem Vollgeld ist damit nicht mehr direkt aus der Zentralbankbilanz ersichtlich und müsste in einer gesonderten Geldstatistik erfasst werden.

Eine Inumlaufbringung von Vollgeld durch Zentralbankkredit an Banken war bei diesen Überlegungen zunächst nicht vorgesehen. Zumindest einen Teil des Vollgelds so zu nutzen, entspringt aber der geldpolitischen Notwendigkeit einer laufenden kurzfristigen Readjustierung des Geldangebots. Berücksichtigt man diese Notwendigkeit, ergibt sich bei der Zentralbank wie heute eine Zins-Seigniorage. Dies wäre jedoch nicht mit einer Buchung des geliehenen Geldes als Verbindlichkeit verbunden. Vielmehr würde ein Aktivatausch stattfinden, indem für das ausbezahlte liquide Geld Kreditforderungen gegen Banken entstehen.   

In gewisser Hinsicht hat auch der Münz- oder Eigenkapital-Ansatz seine kleinen Schönheitsfehler, nicht nur, dass das umlaufende Zentralbankgeld nicht mehr in den Büchern der Zentralbank steht. Was hier überdehnt wird, ist zwar nicht der Kreditbegriff, dafür aber der Begriff des Eigenkapitals. Auch wurde diesbezüglich nie genau erklärt, über welches Konto dieses Eingang findet; wohl kaum als Eigenkapitaleinlage analog anderen Firmen. Geldschöpfung ist etwas anderes als haftendes Gesellschaftskapital. Noch weniger wäre die Sache über ein Konto der GuV zu regeln, denn das Vollgeld und die damit verbundene Seigniorage bei einer Zentralbank entspringen eben nicht ihrer GuV, sondern einem souveränen Akt der Schöpfung von Fiatgeld. Der Akt hat gewiss seine vielfältigen Voraussetzungen, aber ein doppelt verbuchbarer Geschäftsvorgang ist damit nicht verbunden. Also müsste man speziell bei Zentralbanken eine neue Klasse von Eigenkapital-Unterkonto für 'Geldschöpfung' bilden. Das ließe sich wohl noch am einfachsten bewerkstelligen. Nur, wie sinngemäß entspricht das dem Konzept 'Eigenkapital' in einer Bilanz?    

zurück zum Inhaltsverzeichnis >

Trennung eines Währungsregisters von den Bankgeschäften der Zentralbank

In Betrachtung des Für und Wider der bisherigen Ansätze erscheint mir ein viel früherer Ansatz als neuerlich erwägenswert. Er unterscheidet sich vom Münzgeld- oder Eigenkapital-Ansatz nicht sehr, stellt eher seine Ausweitung dar, erscheint mir im Detail aber stimmiger. Der Ansatz geht zurück auf Ricardo's Plan for the Establishment of a National Bank von 1824. Ricardo war der prominenteste Vertreter der Currency School. Gemäß seinem Konzept wurde die Bank von England durch die Geldreformen von 1833/44 aufgeteilt: in ein issue department, das für die Herausgabe der Zentralbanknoten zuständig ist, und ein banking department, das die Bankgeschäfte i.e.S. betreibt, also Devisengeschäfte, Refinanzierung der Banken sowie Kontoführung und Zahlungsmanagement für die Banken und einige öffentliche Kassen, damals auch noch für große Handelshäuser und vermögende Familien.

Das Arrangement der Trennung  von Banknotenausgabe und Bankgeschäften i.e.S. besteht bei der Bank von England bis heute fort. Allerdings erwies es sich seinerzeit bald als wenig relevant, und zwar deshalb, weil die Trennung von Geld und Kredit nicht konsequent vollzogen wurde. Die sog. country banks konnten lange Zeit weiterhin private Banknoten emittieren. Die Bindung der Geldschöpfung an den Goldstandard wurde zeitweise gelockert oder sogar suspendiert (was sofort eine überschießende Kreditgeldschöpfung und die schweren Eisenbahnkrisen jener Zeit hervorrief). Die Giralgeldschöpfung der Banken wurde nicht berücksichtigt, obwohl die Verrechnung über Girokonto in England schon damals eine größere Rolle spielte und im weiteren Verlauf des 19. Jhds stark zunahm. Nicht zuletzt hat auch das issue department von Beginn an Kreditgeldschöpfung (gegen notenbankfähige Wechsel und Staatsanleihen) und doppelte Buchführung betrieben. Das issue department handelte also weiterhin wie eine Geschäftsbank, nicht wie ein souveräner Geldschöpfer.[13] Zentralbanken waren damals privilegierte private Banken, noch nicht die nationalen Währungsbehörden, zu denen sie heute geworden sind.  

Die unzureichende Umsetzung eines Prinzips spricht nicht gegen es. Es käme darauf an, die Trennung von Geldschöpfung und Bankgeschäften nach heutigen Gegebenheiten stimmig umzusetzen, zunächst bei der Zentralbank. Dies kann dadurch geschehen, dass die Geldschöpfung über ein gesondertes Buch erfolgt. Es handelt sich nicht um eine Bilanz, eher um ein Währungsregister, getrennt von den Konten, die in die Geschäftsbilanz der Zentralbank eingehen. Ein solches Register entsteht durch souveräne Akte der Fiatgeldschöpfung. Diese verknüpfen sich nicht mit vorausgehenden Geschäftsvorgängen. Deshalb, wie in den vorherigen Abschnitten erläutert, kann doppelte Buchführung für die Abbildung der modernen Geldschöpfung keine sinnvolle Anwendung finden.

Das Währungsregister wäre ein gesondertes Buch der Zentralbank, aber es zu führen bedarf keines gesonderten Organs. Entscheidungen betreffend das Währungsregister, also betreffend die Geldschöpfung, müssen bei der jeweiligen Zentralbankführung liegen, im Euroraum zum Beispiel dem EZB-Rat und Direktorium der EZB, in den USA dem Board of Governors und Federal Open Market Committee der U.S. Federal Reserve, oder in Großbritannien die Gouverneure und der Board of Directors der Bank von England. Denn geldpolitisch gehören das Währungsregister und die Bankgeschäfte einer Zentralbank­ zusammen. Das Währungsregister würde laufend publiziert ebenso wie heute schon die Geschäftsbilanz der Zentralbank.

Das Währungsregister ist quasi ein Journal. Es erfasst die Schöpfung und den Bestand sowie die Emission der in Umlauf gegebenen gesetzlichen Zahlungsmittel in Landeswährung. Es bezieht sich nur darauf. Die Hereinnahme von ausländischer Währung (Devisen) gegen inländische Währung geht weiterhin in die Geschäftsbilanz ein, ebenso die Bewirtschaftung der Devisenbestände.

Das Währungsregister würde die relevanten Vorgänge über folgende Konten erfassen: 
-    das Geldumlaufkonto und seine Unterkonten, welche die Zahlungsmittel nach ihrer Geldform erfassen
-    das Emissionskonto und seine Unterkonten, die den Emissionskanal der in Umlauf gegebenen Mittel erfassen.

Das Geldumlaufkonto ist das eigentliche Geldschöpfungskonto, indem es der Schöpfung und gegebenenfalls auch der Löschung einer jeweiligen Menge von gesetzlichen Zahlungsmitteln dient. Es handelt sich zugleich um ein Umlaufkonto, indem es die in Umlauf befindlichen Zahlungsmittel nach ihrer Geldform erfasst. Das Geldumlaufkonto untergliedert sich nach Münzen, Noten, Reserven im herkömmlichen Sinn, auch als Kontovollgeld im weiteren Sinn, sowie künftig vielleicht auch Kryptovollgeld. 

Das Geld entsteht mit dem Akt seiner Registrierung, indem ein Betrag als ein Zahlungsmittel in eines der Subkonten eingebucht und ebenso einem bestimmten Emissionskanal zugeteilt wird, entweder als originäre Seigniorage an die Staatskasse oder als Einlage in die Geschäftsbilanz der Zentralbank (siehe Tab. 1).  

Tabelle 1         Die Kontostruktur des Währungsregisters als Journal 

Tab Journal Währungsregister.png

Obwohl im Währungsregister keine doppelte Buchführung zur Anwendung kommt, würde jeder Eintrag das Datum und den jeweiligen Geldbetrag enthalten simultan verknüpft mit einem der vier oder fünf Geldkonten sowie einem der beiden Emissionskonten. Bei Bedarf lassen sich die Konten weiter ausdifferenzieren.

Aus heutiger Sicht dürfte das Geld in aller Regel zunächst in Form von Reserven in Umlauf kommen. Diese werden vielleicht bald auch als Kontovollgeld im Publikumsgebrauch dienen.

Münzen und Noten bleiben eine Alternative soweit das traditionale Bargeld noch nachgefragt bzw. die Versorgung damit aufrecht erhalten wird. Die Materialvorräte an Münzen und Noten würden im Währungsregister vor Verwendung nicht eingebucht. Die Metall- und Papierstücke werden erst dann zu Geld, wenn sie als Einlage in der Geschäftsbilanz der Zentralbank oder gegen Rückfluss von Kontogeld in Umlauf kommen.[14] Obwohl jedoch Bargeld weitgehend unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel ist, beschränken oder verweigern immer mehr staatliche und private Stellen seinen Gebrauch, darunter die Finanzämter ebenso wie Banken.[15]

Kryptovollgeld könnte künftig zu einem adäquaten Ersatz für das herkömmliche Bargeld werden. Ein Kontovollgeld für den öffentlichen Gebrauch erfüllt freilich die gleiche Funktion. Je mehr Kryptogeld zu einem allgemeinen Zahlungsmittel würde, desto mehr würde sich seine unterstellte Anonymität als Illusion erweisen. Kryptovollgeld würde vom Währungsregister in gleicher Weise wie die anderen Geldformen emittiert werden.

Im Umlauf wären alle Formen von Vollgeld jederzeit in andere wechselbar, einschließlich des privaten Giralgelds der Banken solange dieses existiert.

Zusammen mit der Einbuchung eines Geldbetrags erfolgt die Verbuchung des Vorgangs im Emissionskonto. Dieses gliedert sich in zwei Unterkonten:  
-    Seigniorage, d.h. Zuweisung originärer Seigniorage an die  Staatskasse, gleich ob diese Mittel nun für Staatsausgaben oder Bürgerdividende verwendet würden
-    Zentralbank-Liquidität, d.h. Einlage im Geldvorratskonto der Zentralbank-Geschäftsbilanz zwecks Eintausch von Devisen gegen Landeswährung, wechselkurspolitischen Maßnahmen sowie geldpolitischen Maßnahmen zur kurzfristigen Readjustierung des Geldangebots mit Banken und anderen Finanzinstituten, unter bestimmten Bedingen auch mit der Staatskasse.

Die Überlassung originärer Seigniorage an die Staatskasse bedeutet keine monetäre Staatsfinanzierung im Sinn des Artikel 123 (1) AEUV. Lediglich handelt es sich um die dem Staat zustehende Seigniorage nach Maßgabe der unabhängigen Geldpolitik der Zentralbank. Parlament und Regierungskabinett dürfen nicht das Recht haben, der Zentralbank Weisungen zu erteilen, insbesondere nicht Zuweisungen an die Staatskasse oder geldpolitische Maßnahmen zu verlangen.[16] Wieviel Geld jeweils neu geschöpft wird, und wieviel davon per Seigniorage über Staatsausgaben oder per Kredit über Bankgeschäfte in Umlauf kommt, soll allein Sache der Zentralbank in Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags sein – der freilich genauer als heute auszubuchstabieren wäre.   

Hinsichtlich der laufenden Seigniorage sollte man sehen, dass es sich hierbei nicht um unerhört viel Geld handeln kann. Je nach Staatsquote und Wirtschaftswachstum ginge es jährlich um Beträge in der Größenordnung von etwa 1–4 Prozent des öffentlichen Gesamthaushalts.[17] Das ist kein Kleingeld, aber doch viel zu wenig, um der Staatsfinanzierung in größerem Umfang zu dienen bzw. die Steuerfinanzierung der öffentlichen Haushalte zu ersetzen. Seigniorage entbindet die Politik in keiner Weise vom Erfordernis gesunder Haushaltsführung.

 Wofür Parlament und Kabinett das Geld verwenden, ist durch die Zuweisung der Seigniorage nicht vorbestimmt. Im Sinn einer Gewaltenteilung zwischen monetären und budgetär-fiskalischen Funktionen dürfte es grundsätzlich besser sein, die Verwendung von laufender Seigniorage nicht vorbestimmen zu wollen.  Freilich bestehen auch in dieser Frage unterschiedliche nationale und politische Präferenzen. Zum Beispiel würden es viele Autoren vorziehen, neu geschöpftes Geld als Bürgerdividende auszuschütten. Das hat Tradition seit im 18. Jhd. die Gouverneure der britischen Kolonien in Nordamerika (später USA) neu geschöpftes Papiergeld als Pro-Kopf-Dividende je Steuerzahler in Umlauf brachten (colonial bills).[18]  

Dementsprechend wäre die Zuweisung originärer Seigniorage zu untergliedern in 'Mittel zur freien Verwendung' und 'Mittel zur Verwendung als Bürgerdividende'. Letztere würden vermutlich nicht von der Zentralbank selbst zugewiesen, sondern über die Finanzämter an die Empfänger weitergeleitet oder, soweit anwendbar, vielleicht auch mit der Einkommenssteuer verrechnet. Im Prinzip sollen das Währungsregister und das Bankgeschäft der Zentralbank das Geld nur emittieren, nicht jedoch über seine Verwendung entscheiden. Allerdings ist die Ausgabe von Geld als Seigniorage an die Staatskasse oder per Kredit an Banken de facto mit einer Vorentscheidung über das Spektrum der möglichen und wahrscheinlichen Erstverwendungen der Mittel verbunden. Insoweit lassen sich bei der Emission neuen Geldes seine Schöpfung und seine Erstverwendung nicht völlig voneinander trennen.

Die Einlagen des Währungsregisters im Reservenkonto der Geschäftsbilanz der Zentralbank sind als Kredite mit bedingter Fälligkeit zu verstehen. Es kann hier offengelassen werden, was die Bedingungen solcher Fälligkeit wäre – zum Beispiel Rücktausch von Devisen, oder auflaufende Tilgungen der Banken bei der Zentralbank, oder Überschreiten einer bestimmten Grenze der Geldvorratshaltung in der Geschäftsbilanz der Zentralbank. Die Einlagen sind unverzinslich, im Unterschied zu den Krediten der Zentralbank an Banken, denn eine Verzinsung wäre in diesem Fall ohne Funktion, da es sich um Konten ein und derselben Zentralbank handelt.

Die Einlagen sind rückrufbar. Das ermöglicht eine geldpolitisch ggf angezeigt Reduzierung des aktuellen Geldangebots, ohne dazu Steuereinnahmen aus dem Verkehr zu ziehen und damit Geld- und Fiskalpolitik unsachgemäß zu verquicken. 

Das Geldumlaufkonto und das Emissionskonto weisen ihrer Summe nach einen gleichen Stand auf. Es handelt sich dabei zumeist um Geld in inländischer Verwendung, teils auch als eigene Währung im Ausland. In heutigen Kategorien entspräche die betreffende inländische Geldmenge plus dem Bargeld im Ausland dem Geldaggregat M1. Die Reserven in M0 brauchen hier nicht berücksichtigt zu werden, denn mengenarithmetisch gesehen – und im Normalbetrieb, nicht im Krisenmodus ultralockerer Geldflutung – stellen die Reserven in M0 eine re-aktiv bereitgestellte, bruchteilige Untermenge von M1 dar. Die monetären Aggregate M2, M3, M4 und weitere solche Abgrenzungen gäbe es nicht mehr. Die Bankeinlagen in den heutigen Aggregaten M2/M3 wären nicht mehr temporär stillgelegtes Giralgeld, sondern eine Form von kurzfristigem, teils auch längerfristigem Fremdkapital der Banken, eine Form der Kapitalbildung der Bankkunden, indem diese einen disponiblen Teil ihrer Mittel den Banken leihen. Die Frage, ob eine Bankeinlage ein reguläres oder irreguläres Depositum sei, stellt sich so grundsätzlich nicht mehr.      

In einem reinen Vollgeldsystem gäbe es keinen gesplitteten Geldkreislauf mehr, weder Giralgeld der Banken noch Zentralbank-Reserven im heutigen Sinn exklusiv im Interbankenverkehr. Auch die Unterscheidung von monetären und nicht-monetären Finanzinstituten würde gegenstandslos. Es gäbe in dieser Hinsicht nur noch Kontogeld auf Vollgeldkonten, Geld, das unter allen Akteuren in gleicher Weise umläuft. Das Kontogeld liegt auch Bezahlmethoden wie E-Geld-Karten, Prepaid-Karten, Mobilfunk-Apps, Kreditkarten o.ä. zugrunde. Solche Bezahlmethoden dienen der Übertragung von Kontogeld, sie sind nicht selbst Träger dieses Zahlungsmittels. Ob es einmal mobile Geldspeicher im eigentlichen Wortsinn geben wird, also Karten oder Apps, die nicht nur ein Verfahren zur Zahlung in Kontogeld sind, sondern selbst die unmittelbaren Geldträger, bleibt abzuwarten.     

Sofern Giralgeld und Kontovollgeld im Publikumsverkehr koexistieren, bleibt die Unterscheidung erforderlich zwischen (a) dem Giralgeld der Banken, (b) den Zentralbank-Reserven der Banken und (c) dem dann vorhandenen Kontovollgeld des Publikums. Das Kontovollgeld) kann zwischen Nichtbanken, Banken und Zentralbank hin und her überwiesen werden, auch zwischen Vollgeldkonten und Girokonten von Bankkunden. Letzteres tangiert den Reservenbedarf der Banken.   

Wo und wie dieses Kontovollgeld geführt wird, ist noch nicht definitiv geklärt. Das 'Zentralbankkonto für jeden' ist unwahrscheinlich. Im Zuge ihrer Entwicklung zu hoheitlichen Währungsbehörden haben die Zentralbanken Geschäfte mit Nichtbanken und die Kontoführung für sie aufgegeben, mit Ausnahme einiger Transaktionskonten des Staats. Das Beispiel Ecuador zeigt allerdings, dass das Zentralbankkonto für jeden, also Kontovollgeld zum Gebrauch im Publikumsverkehr, machbar ist, dort in Form von 'dinero electrónico'. Zugang erlangt man aber nur über bestimmte 'Transaktionszentren'.[18a]  

Ebenso möglich und mit wenig Aufwand umsetzbar wären Transaktions-Sammelkonten der Kunden, die von Banken und anderen Zahlungsdiensten mit Zugang zum Zentralbank-Zahlungsverkehr treuhänderisch bei der Zentralbank geführt werden, außerhalb der Bilanz der Banken und anderer Zahlungsdienste und damit getrennt von deren Eigenmitteln. Solche Transaktions-Sammelkonten der Kunden wären praktisch das zum Teil aus der Bilanz ausgelagerte Kontokorrent der Bank. Technisch sollte es hierbei sogar möglich sein, die bisherigen Kontonummern der Kunden weiter zu benutzen.  

Etwas aufwendiger wäre es, eine neue Infrastruktur für individuelle Vollgeldkonten jenseits des bisherigen bargeldlosen Zahlungsverkehrs aufzubauen. Dies ist aktuell im Konzept der E-Krona der Schwedischen Reichsbank vorgesehen.[19] Da in Schweden das Bargeld schon sehr weitgehend außer Verkehr geraten ist, sieht das E-Krona Konzept zugleich eine Kombination der Vollgeldkonten mit Krypto-Vollgeld als funktionalem Bargeldersatz vor. 

Eine ähnliche Kombination lag auch den beiden Pilotprojekten zugrunde, welche die Zentralbank von Kanada und die von Singapur mit Banken und anderen Finanzinstituten durchführten. Den beteiligten Instituten wurde täglich ein Teil ihrer Zentralbank-Reserven als Kryptocoins zur Verfügung gestellt. Die Kryptocoins liefen zwischen den Instituten um, wie Reserven in den jetzigen Real-Time Gross-Settlement Zahlungssystemen der Zentralbanken. Am Ende des Tages wurden die offenen Forderungen in Reserven à Konto  beglichen und die Kryptocoins gelöscht. Insofern wurde hier die neue Technik, noch nicht eine geldsystemische Änderung getestet.[19a]   

Die Zentralbank von Uruguay hat mitgeteilt, dass sie ein Digitalgeld-Pilotprojekt durchführt mit 10.000 Teilnehmern und 20 Millionen 'peso tickets', die mittels einer speziellen App über eine 'digitale Brieftasche' zirkulieren.[20]   

zurück zum Inhaltsverzeichnis >

Änderungen in der Zentralbankbilanz

Die Geschäftsbilanz der Zentralbank würde wie bisher die Bankgeschäfte der Zentralbank ausweisen und bliebe dabei weitgehend unverändert. Eine wesentliche Veränderung bestünde jedoch darin, dass die Zentralbank die Noten und Reserven bzw das Kontovollgeld nicht mehr als Verbindlichkeit gegenüber den Banken verbucht. Vielmehr entsteht mit den Einlagen durch das Währungsregister ein aktivischer Dispositionsbestand an Zentralbankgeld (Vollgeld), der als 'Geldvorrat' verbucht wird, je nach dem als Bargeld in der Kasse oder als Kontovollgeld (heutige Reserven), oder künftig vielleicht auch als Zentralbank-Kryptogeld. Diesen Geldvorräten entsprechen passivisch Verbindlichkeiten der Geschäftsbilanz gegenüber dem Währungsregister. Anders gesagt, die bisherige Position Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten wird zur Position Verbindlichkeiten gegenüber Währungsregister, mit bedingter Fälligkeit und ohne Verzinsung.

Bei Kredit der Zentralbank an Banken kommt es zu einem Aktivatausch in der Zentralbankbilanz (Kreditforderung gegen Geldvorrat). Desgleichen bei Ankauf von Devisen, Wertpapieren oder anderen Aktiva durch die Zentralbank. Anders gesagt, Mittel aus der Position Geldvorrat werden umgetauscht in Forderungen gegen ausländische Zentralbanken, Forderungen gegen Kreditinstitute, sowie Wertpapiere oder andere Aktivapositionen, darunter möglicherweise auch wieder Forderungen an öffentliche Haushalte; letztere zum Beispiel als sog. Kassenkredite wie bis zur Einführung des Euro üblich gewesen, heute aber unverständlicherweise verboten (qui bono?).

zurück zum Inhaltsverzeichnis >

Vollgeld-Verbuchung bei den Banken               

In einem reinen Vollgeldsystem würden sich Verbuchung und Bilanzierung bei den Banken in sinngemäß gleicher Weise ändern wie bei der Zentralbank. Es gäbe kein Giralgeld mehr, also keine Passivposition Täglich fällige Verbindlichkeiten gegenüber Kunden (Nichtbanken), ebenso wenig Reserven im heutigen Sinn, keine Mindestreserve und keine Überschussreserven exklusiv für einen speziellen Interbankenkreislauf. Auch das Thema einer 100%-Reservehaltung für Giralgeld wäre irrelevant. Vollgeld ist kein Zahlungsversprechen, sondern per se unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel zur finalen Begleichung jeder Art privater und öffentlicher Schuld. Vollgeld braucht keine Deckung durch 'Reserven'. Wohl aber brauchen Banken auch in einer Vollgeldordnung eine angemessene Liquiditätsreserve sowie auch ein Eigenkapitalpolster, das nicht gleich bei jeder Krise von Totalschmelze bedroht ist.  

Wie eingangs erläutert, wären die Banken keine monetären Finanzinstitute mehr und könnten nur Geld ausleihen, investieren oder sonst ausgeben, über das sie in vollem Umfang tatsächlich verfügen, dadurch, dass sie es ein- oder aufgenommen haben. Daraus ergeben sich unterschiedliche Verbindlichkeiten
-    gegenüber Kunden (Spar- und Termineinlagen als expliziter Kundenkredit an die Bank)
-    aus Anleihen und anderen begebenen Schuldverbriefungen im weitesten Sinn    
-    gegenüber anderen Finanzinstituten aus kurz- und längerfristigen Kreditaufnahmen
-    gegenüber der Zentralbank.

In einer Parallelkonstellation von Giralgeld und Kontovollgeld dagegen bleiben die Banken monetäre Finanzinstitute. Sie besitzen weiterhin das Giralgeldprivileg und können insoweit weiterhin auf einer fraktionalen Reservebasis operieren. Freilich müssen sie dann gemäß Kundennachfrage Giroguthaben auf Vollgeldkonten überweisen, so wie heute Banken Zentralbankreserven an andere Banken oder auf Staatskonten bei der Zentralbank überweisen. Sie müssten wohl selbst auch Vollgeldkonten anbieten, schon alleine aufgrund der Nachfrage von Kunden. Der Wettbewerb um Kunden dürfte das von alleine regeln. Falls dies vor dem Hintergrund korporativ-oligopolistischer Verhältnisse im Bankensektor mancher Länder nicht der Fall sein sollte, müsste gesetzlich nachgeholfen werden.

Bei Überweisung von einem Vollgeldkonto auf ein Girokonto nehmen die Banken kostenlos Reserven ein. Jedoch wäre deren Verfügbarkeit für die Banken stark eingeschränkt dadurch, dass die Banken diese Mittel umgehend benötigen für ausgehende Überweisungen von Girokonten auf Vollgeldkonten. Weitere Aspekte der Problematik einer Parallelgeld-Konstellation mit Giralgeld und Vollgeld, können hier nicht diskutiert werden.[21]  

zurück zum Inhaltsverzeichnis >

Kernpunkte zusammengefasst

Die Einführung eines Währungsregisters zwecks Geldschöpfung und Erfassung des Währungsbestands getrennt von der Geschäftsbilanz der Zentralbank eröffnet eine Möglichkeit, die unstimmig gewordene Verbuchung der Geldschöpfung bei der Zentralbank und der Giralgelderzeugung der Banken zu bereinigen.

Die Schöpfung von gesetzlichen Zahlungsmitteln bei der Zentralbank (Bargeld, unbare Reserven) als Verbindlichkeit gegenüber den Banken zu buchen, so wie früher das Papiergeld als ein Versprechen auf Silber- und Goldgeld, ist seit langem gegenstandslos geworden. Auch die Verbuchung des liquiden Giralgelds der Banken als Verbindlichkeit gegenüber ihren Kunden ist insofern irreführend, als das mit dem Giralgeld verbundene Versprechen, es auf Verlangen bar auszuzahlen, schon immer eingeschränkt war und heute nur noch sehr eingeschränkt einlösbar ist. Ein Giroguthaben als Zentralbank-Kontogeld ausgezahlt zu bekommen, ist im heutigen Giralgeldregime von vornherein nicht möglich.[22] Reserven verbleiben stets im Besitz der Banken und verlassen den Interbanken-Kreislauf nie. Darauf beruht das fraktionale Reservebanking, die inhärente Instabilität und Krisenanfälligkeit des heutigen Bank- und Finanzwesens sowie die Unsicherheit des Giralgelds unter Krisenbedingungen.   

Erhöhte Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften für die Banken (Basel-Regeln) sind an und für sich in begrenztem Maße nützlich. Aber als Antworten auf die Probleme des Giralgeldregimes auf fraktionaler Reservenbasis gehen die Basel-Regeln an der Sache weitgehend vorbei. Sie bleiben blind gegenüber dem Geldsystem und gewährleisten keine solide Krisenabsicherung der Banken, geschweige des Bankengelds. Auch eine 100%-Reservehaltung der Banken bliebe im bestehenden Reservesystem gefangen und würde Banken und Kunden nur erhebliche Zusatzkosten aufbürden.[23]

Eine systemisch stimmige Antwort war und ist dagegen das Prinzip der Currency School, Geld und Kredit zu trennen, also die Geldschöpfung und die Kontrolle über den Geldbestand zu trennen von der Kreditwirtschaft, in Verbindung damit auch das Prinzip, das Geld der Kunden getrennt von den Eigenmitteln einer Bank zu verwalten. Eben das leistet der hier vorgebrachte Ansatz eines Währungsregisters. Der Ansatz ist auch in einer Konstellation implementierbar, in der nicht nur Giralgeld und Bargeld koexistieren, sondern auch Giralgeld und Kontovollgeld.

Die Schöpfung und Emission von Vollgeld über ein Währungsregister der Zentralbank ermöglicht in stimmiger Weise doppelte Buchführung in der Geschäftsbilanz der Zentralbank und der Banken, ohne die Konfusion stiftende falsche Identität von Kredit und Geld, und ohne Überdehnung der Kategorien der Verbindlichkeit oder des Eigenkapitals. Das gilt speziell auch für die Seigniorage, deren Emission durch Zuweisung des Währungsregisters an die Staatskasse weder in sinnwidriger Weise als Verbindlichkeit noch als Eigenkapital der Zentralbank verbucht zu werden braucht.   

Buchhalterisch-bilanziell besteht  das Kernelement des Ansatzes in der ausschließlich aktivischen Verbuchung von Vollgeld und seiner Zirkulation ausschließlich durch direkte und vollständige Aktivaübertragung vom Zahler zum Empfänger. Im Zusammenhang mit Kredit- oder Investmentgeschäften findet ein Aktivatausch statt (Geldforderung gegen Geld).

Allgemein gesprochen ist ein Zahlungsmittel für den Inhaber faktisch immer ein Aktivum, auch wenn eine Bank oder Zentralbank das Geld als eine Verbindlichkeit in Form von Giralgeld oder Reserven ausgegeben hat. Die heutige Bank-Verbuchung von Giralgeld und Zentralbank-Verbuchung von Reserven wird der Aktiva-Natur des Geldes nicht gerecht und erzeugt eine babylonische Verwirrung von Geld und Kredit. Geld sollte also nicht länger als Verbindlichkeit einer Bank oder Zentralbank zu buchen sein – als 'Passivgeld', um hier diesen Ausdruck von Th. Mayer zu verwenden.[24] Dies gilt zuerst und vor allem für jede Form von Zentralbankgeld.

Aber auch Giralgeld ist faktisch stets ein Aktivum für den Nichtbanken-Inhaber, wenn auch nicht für die Bank, die den Inhabern die Auszahlung der Giroguthaben schuldet. Würde man von den Banken verlangen, statt Giralgeld als Verbindlichkeiten gegenüber Kunden zu führen, eingehende Giralgeld-Überweisungen als Abzug von den eingehenden Reserven zu buchen, so lange bis die betreffenden Kunden ausgehende Zahlungen veranlassen, wäre dies nahe dem Einstieg in eine Vollgeldreform. Fehlen würde dann noch die Übertragung der Mittel auf ein gesondertes, außerhalb der Bankbilanz geführtes Vollgeldkonto der Kunden, oder auf ein Transaktionssammelkonto einer Bank bei der Zentralbank, oder welche andere Möglichkeit es noch geben mag, um die Kunden in den Vollbesitz ihres Geldes zu bringen anstatt es dem Eigentum der Banken vorzubehalten und die Giralgeld-Verbindlichkeiten als ein weitgehend leeres Zahlungsversprechen umlaufen zu lassen.[25]    

zurück zum Inhaltsverzeichnis >


Zitierte Literatur

Bech, Morten / Garratt, Rodney. 2017. Central bank cryprocurrencies, Basel Bank for International Settlements, Quarterly Review, September 2017, 55–70.

Benes,  Jaromir / Kumhof, Michael. 2012. The Chicago Plan Revisited, IMF working paper, 12/202, Aug 2012, 6. Revised draft Feb 2013.

Dohnanyi, Klaus von (Hg). 1986. Notenbankkredit an den Staat? Baden-Baden: Nomos.

Gudehus, Timm. 2013. Geldordnung, Geldschöpfung und Staatsfinanzierung, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 62. Jg., Heft 2, 2013, 194–222.

Gudehus, Timm. 2016. Neue Geldordnung, Wiesbaden: Springer Gabler.

Häring, Norbert. 2016. Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen, Köln: Quadriga / Bastei Lübbe.

Hixson, William F. 1993. Triumph of the Bankers, London/Westport CT: Praeger.

Huber, Joseph. 2017. Sovereign Money - Beyond reserve banking, London: Palgrave Macmillan.

Huber, Joseph. 2014. Modern Money Theory and New Currency Theory, Real-World Economics Review, issue no.66, 38–57.

Huerta de Soto, Jesús. 2006. Money, Bank Credit and Economic Cycles, Auburn AL: Ludwig von Mises Institute.

Jackson, Andrew / Dyson, Ben. 2012. Modernising Money, London: Positive Money.

Jackson, Andrew / Dyson, Ben. 2013. Sovereign Money – paving the way for a sustainable recovery, London: Positive Money.

Köhler, Michael. 2015. Humes Dilemma – oder: Das Geld und die Verfassung. Geldschöpfung der Banken als Vermögensrechtsverletzung, Berlin: Duncker & Humblot.

Mayer, Thomas [Schweizer Vollgeld-Initiative]. 2017.  Bilanzierung von Bankengeld und von Vollgeld, verfügbar auf www.vollgeld.de/vollgeldreform-papers-und-manuskripte.

Mayer, Thomas Mayer [FvS Research Institute, FAS Kolumnist, ehem. Chefökonom Deutsche Bank]. 2014. Die neue Ordnung des Geldes, München: FinanzBuch Verlag.

O'Brien, Denis Patrick. 2007. The Development of Monetary Economics, Cheltenham: Edward Elgar.

Schemmann, Michael. 2015. Schluss mit dem Bilanzbetrug der Banken, IICPA Publications.

Schemmann, Michael. 2017. Die Schweizer Vollgeld-Initiative. Analyse der Botschaft des Bundesrates, IICPA Publications.

Schularick, Moritz / Taylor, Alan M. 2009. Credit booms gone bust. 1870–2008, National Bureau of Economic Research, Working Paper 15512. Reprinted in: American Economic Review, Vol. 102, No. 2, April 2012, 1029–61.

Sigurjonsson, Frosti. 2015. Monetary Reform – a better monetary system for Iceland, commissioned by the Prime Minister of Iceland, Reykjavik.

Sveriges Riksbank. 2017. The Riksbank's e-krona project, Report 1, Stockholm, Sep 2017.

Tcherneva, Pavlina. 2006. Chartalism and the tax-driven approach, in: Arestis, Philip / Sawyer, Malcolm (eds.), A Handbook of Alternative Monetary Economics, Cheltenham: Edward Elgar, 69–86.

Wray, L. Randall. 2012. Modern Money Theory. A Primer on Macroeconomics for Sovereign Monetary Systems, London/New York: Palgrave.

Zarlenga, Stephen. 2002. The Lost Science of Money, Valatie NY: American Monetary Institute. 

zurück zum Inhaltsverzeichnis >

Endnoten

[1] Für wertvolle Hinweise und inhaltliche Anregungen Dank sagen möchte ich Reinhold Harringer, Peter Ulrich und Thomas Mayer von der Schweizer Vollgeld-Initiative und Eberhard Gamm, Timm Gudehus, Klaus Karwat, Arne Pfeilsticker und Lino Zeddies vom Verein Monetative.

[2] Tobin 1987.  

[2a] Vgl. dazu www.vollgeld.de/was-ist-vollgeld#geldpolitik. Ebenso Huber 2017, Kap. 6.6 – 17, 157ff.  

[3] Schularick/Taylor 2009, 2, 5ff., 29.

[4] Geldmarktfonds-Anteile sind neue Geldsurrogate auf Giralgeldbasis. Ihr Umfang ist erheblich und reicht von einem Drittel (EU, UK) bis zum Zweieinhalbfachen (USA) der Geldmenge M1.      

[5] IFRS= International Financial Reporting Standards des IASB = International Accounting Standards Board (EU und UK) sowie GAAP = Generally Accepted Accounting Principles des FASB = Financial Accounting Standards Board (USA).

[6] Dohnanyi (Hg) 1986, 92. 

[7] Die Vorstellung eines rein formal auszustellenden zins- und tilgungsfreien Kredits an den Staat findet sich schon bei Keynes als perpetual zero-coupon consols (anscheinend angelehnt an britische Bond-Emissionen des 18. und 19. Jahrhunderts, die über sehr lange Zeiträume immer wieder zu neuen Einheitsbonds mit jeweils niedrigerer Verzinsung 'konsolidiert' wurden). Jackson/Dyson 2013 haben Keynes' Consols-Ansatz für die NGO Positive Money wieder aufgenommen. Auch ich hatte den Consols-Ansatz  noch in der ersten Ausgabe meines Buchs Monetäre Modernisierung, 2010, vertreten; in neueren Ausgaben dann ersetzt durch die weiter unten erläuterte Vorstellung einer Zentralbank-Bilanzierung von Vollgeld als Aktivum in Analogie zur Inumlaufbringung von Münzen – im vorliegenden Text abermals revidiert in Form des Währungsregister-Ansatzes. Sigurjonsson zufolge (2015, 81) seien sowohl der Consols-Ansatz wie auch der Münz- oder Eigenkapital-Ansatz denkbar. 

[8] Tcherneva 2006. Wray 2012. Zur Kritik daran Huber 2014.  

[9] Anders als überwiegend unterstellt, fungiert die Mindestreserve nicht als Liquiditäts-Sicherheitsnetz, ebenso wenig als Instrument zur Steuerung des Gesamtvolumens an Bankkredit nach dem unreelen und irreführenden Modell des Kreditmultiplikators. Lediglich ist die Mindestreserve temporär und marginal als Überschussreserve nutzbar, wenn die betreffende Bank im Durchschnitt des Referenzzeitraums ihre Mindestreserve-Verpflichtung einhält.

[10] In Deutschland zum Beispiel gemäß § 488 BGB und seiner allgemeinen Auslegung.

[11] Schemmann 2015. Ders. 2017, 37–59. Köhler 2015. Auch die meisten neo-österreichischen Ökonomen betrachten das fraktionale Reservebanking als missbräuchlich, zum Beispiel Huerta de Soto 2006, Kap. 2 und 3.      

[12]  Vgl. Jackson/Dyson 2012, 210, 311–21. Benes/Kumhof 2012, 6. Gudehus 2013, 199–207. Ders. 2016, 9–11. Mayer [FvS] 2014, 146–61. Mayer [Schweizer Vollgeld-Initiative], zuletzt 2017. Sigurjonsson 2015, 81. Huber 2017, 167–169.

[13] O'Brien, D.P. 2007. The Development of Monetary Economics, Cheltenham: Edward Elgar, 93–154.

[14] Das Münzregal liegt heute meist immer noch bei den nationalen Finanzministerien, als Überbleibsel des feudalen Obrigkeitsstaats. Die Münzhoheit hätte längst den staatlichen Zentralbanken übertragen werden sollen. Diese sollten ihrerseits sämtliche privaten und korporativen Teileigentümer, soweit noch vorhanden, auszahlen, allen voran Banken und Finanzunternehmen. Überhaupt sollte eine staatliche Zentralbank als Währungsbehörde nicht mehr in der Form einer Aktiengesellschaft geführt werden.

[15] Häring 2016.

[16] Weiteres zum Thema monetäre Staatsfinanzierung auf www.vollgeld.de/verbot-der-direkten-zentralbank-staatsfinanzierung sowie www.vollgeld.de/monetaere-staatsfinanzierung. 

[17] Bei einem Übergang von Giralgeld zu Vollgeld können zwei Kategorien von Seigniorage unterschieden werden, zum einen die laufend anfallende Seigniorage aus der Geldschöpfung, zum anderen die einmalige Übergangs- oder Konversions-Seigniorage. Letztere ergibt sich aus der Ausschleusung der alten Giralgeld-Verbindlichkeiten der Banken und ihrer Ersetzung durch neues Vollgeld der Zentralbank. Dieser Betrag wäre insgesamt sehr hoch, eben in Höhe der vorausgehenden Giralgeldbestände. Was man damit macht, wäre extra zu verhandeln. Eine naheliegende Option wäre, nach und nach einen Großteil der Staatsschuld abzubauen, oder öffentliche Investitionen jeder Art damit finanzieren.

[18]  Hixson 1993, 53–58. Zarlenga 2002, 361–86. Der Ansatz lebte später fort als national dividend oder citizens' dividend bei C.H. Douglas und als Freigeld-Steuergutschrift bei S. Gesell. Auch in der heutigen Geldreformbewegung findet die Sache Anklang. Vgl. Mayer [FvS] 2014, 148ff. Huber 2017, 160–63.  

[18a] Bech/Garratt 2017, 62.

[19] Sveriges Riksbank. 2017.  

[19a] Bech/Garratt 2017, 61, 66.

[20] Central Banking, 6 Nov 2017, Uruguay launches digital currency. BitCoin.com News, Nov 6, 2017, Uruguay to launch digital currency. 'Not bitcoin' it stresses.

[21] Siehe dazu Zwischenlösungen zur Vollgeldreform. Digitales Zentralbankgeld und Vollgeldkonten, auf www.vollgeld.de/zwischenloesungen-digitales-zentralbankgeld-und-vollgeldkonten.

[22] Das deutsche Kreditwesengesetz KWG §3 (3) ist unter diesem Aspekt veraltet und dringend neuerungsbedürftig, denn es bezieht sich nur auf die Gewährleistung der Barabhebung von Kontoguthaben. Es unterstellt faktisch ein Bargeldsystem, das es längst nicht mehr gibt. An seiner Quelle ist heute alles Geld unbar. Unabhängig davon ist auch die Barabhebung nicht allgemein gewährleistet sobald eine kritische Zahl von Kunden bar abheben möchte (Bankrun). Insofern kommt KWG §3 (3) genau genommen einem Verbot des heutigen Giralgeldregimes auf fraktionaler Reservebasis gleich.      

[23] Siehe www.vollgeld.de/100-prozent-reserve-chicago-plan.

[24] Mayer [FvS] 2014, 22ff. 

[25] Ein Treuhandkonto für Kundengelder bei derselben oder einer anderen Bank erfüllt nicht die gleiche Funktion, da die treuhänderisch geführten Guthaben weiterhin Teil der Bankbilanzen sind und dem fraktionalen Reservebanking unterliegen. 

zurück zum Inhaltsverzeichnis >