Free Banking und Goldstandard
Free Banking
Free Banking ist ein ultraliberales Gegenprogramm zum ordoliberalen Vollgeldkonzept. Vollgeld steht für eine > Currency-Lehre auf der Höhe der Zeit. Free Banking, wie der Name schon andeutet, steht für > Banking-Lehre.
In neuerer Form geht Free Banking zurück auf Friedrich von Hayek's Schrift zur Entstaatlichung des Geldes durch private Währungskonkurrenz. Unterstützt wird die Position heute vor allem aus den Reihen der Neo-Österreichischen Schule. Diese ist jedoch selbst fraktioniert, sodass dort in dieser Frage keine Einmütigkeit herrscht.
Dem Konzept des Free Banking liegt ein ideologisches Zerrbild der staatlichen Ordnungs- und Regelungsfunktionen in der Wirtschaft zugrunde, hier insbesondere ein Zerrbild gesetzlicher Zahlungsmittel und staatlicher Geldordnung, sowie eine äußerst realitätsferne Idealisierung der Märkte und des Wettbewerbs im Banken- und Finanzsektor. Ganz im Sinne der Banking-Doktrin und abstrakter neoklassischer Modellwelten wird die Notwendigkeit staatlicher Ordnungsfunktionen im Geld- und Finanzwesen geleugnet. Der Markt würde angeblich alles von alleine zum besten richten. Für Geld und Währungsmärkte wird ein gleichsam exterritorialer Status beansprucht.
Staatliche Einrichtungen, hier speziell die Zentralbanken, würden dagegen nur größten Schaden anrichten. Sie würden, angeblich, Zinsen und Geldmenge per Dekret vorgeben, was eine bürokratische, notwendigerweise schief liegende Wissensanmaßung darstelle. Nur der Markt könne wissen, wieviel Geld gebraucht werde.
Das ist nicht einmal hinter unsere Zeit zurückgefallen, sondern entsprach schon bei Einführung des Banknotenmonopols der Zentralbanken vor über 100 Jahren nicht der Wirklichkeit. Im bestehenden Giralgeldregime (fraktionales Reservebanking) wird die Geldmenge gerade nicht von den Zentralbanken, sondern längst vollständig durch die Banken bestimmt. Eine Geldmengenpolitik der Zentralbanken findet noch nicht einmal versuchsweise mehr statt, denn unter den Bedingungen des Giralgeldregimes kann sie gegen dessen faktische Vorgaben im reaktiven Nachvollzug nichts ausrichten. Ebenso geht es an den Realitäten vorbei, den Leitzinsen der Zentralbanken eine alles bestimmende Rolle zuzuschreiben. Die Banken benötigen auf 100 Einheiten Giralgeld heute nur noch 3 Prozent Zentralbankgeld (1,5% Bargeld, 1% Mindestreserve, 0,1 bis 0,5 Prozent Überschussreserve). Wie soll ein Zins auf 3 Prozent der Geldmenge eine durchschlagende Transmissionswirkung auf 100 Prozent ausüben? Das Zinsniveau bestimmt sich im wesentlichen auf den Kapitalmärkten.Zudem ist die Nachfrage der Banken nach Zentralbankgeld zins-unelastisch. Sie tätigen ihre Geschäfte (Kreditausstellung und Wertpapierkäufe) pro-aktiv und re-finanzieren sich im nachhinein. Von daher besitzt der Leitzins allenfalls einen geringen Einfluss in mittelfristiger Rückkopplung. Hierbei ist zu keiner Zeit klar feststellbar, ob die Zentralbanken die Zinstendenz am Geldmarkt vorgeben oder ob sie ihr nicht ebenso reaktiv folgen wie sie die residuale Reservennachfrage der Banken jederzeit nachträglich bedienen müssen, um das laufende, von den Banken bestimmte Geschehen nicht zum Stocken zu bringen.
Das Free Banking selbst stellt man sich recht niedlich, wohlmeinend und wohlwissend hin - ganz wie die ersten Vertreter der Banking School vor 200 Jahren, und ganz so wie das Bankgeschäft in Wirklichkeit nie war und nie sein wird.
Von vornherein verschwiegen wird, dass unter den Bedingungen des frei schöpfbaren Zeichengeldes (fiat money), dem Schöpfer und Erstverwender solcher Zahlungsmittel ein ungemeines Macht- und Gewinnprivileg zufällt. Das Machtprivileg besteht darin, festzulegen, wer wofür wieviel Geld als Finanzierungsmittel erhält. Gewiss wird diese Macht durch die Existenz von Börsen und anderen sekundären Kapitalmärkten relativiert. Gleichwohl besteht eine solche Allokationsmacht der Banken (um nicht von Lenkungsgewalt zu sprechen) und sie wird durch das Privileg der primären Kreditgeldschöpfung in einem Maße verstärkt, das den gesamten Wirtschaftsprozess maßgeblich bestimmt und prägt. Das Gewinnprivileg besteht in einem erheblichen Geldschöpfungsgewinn, genauer gesagt, einem Finanzierungskostenvorteil in Form des nur 3%-fraktionalen Refinanzierungsbedarfs, während sich alle anderen Wirtschaftsteilnehmer zu 100% finanzieren müssen. Dieses Gewinnprivileg kann die Form von Zinsseigniorage oder originärer Seigniorage (bei Kauf von Wertpapieren oder Immobilien) annehmen.
In einer modernen Leistungsgesellschaft steht ein solches Privileg niemandem zu, es sei denn einer dafür bestimmten staatlichen Instanz (Zentralbank) in Ausübung der staatlichen Währungs- und Geldhoheit. Die Banken, zudem, missbrauchen dieses Privileg seit es Papier- und Giralgeld gibt, indem sie periodisch überschießend zu viel Geld erzeugen mit der Folge von Inflation, Asset Inflation und Finanz- und Wirtschaftskrisen. Sie verwenden das Geld zum Jetztwert, und lassen alle anderen in Form von Inflation (Kaufkraftverlust) dafür bezahlen. Soweit Asset-Inflation in Krisen mündet (so gut wie immer) sind nicht nur Banken selbst durch bilanzielle Schieflagen gefährdet, sondern auch die Geldvermögen ihrer Kunden soweit sie in die Bankbilanz eingehen.
Im Bankensektor herrscht kein optimaler Wettbewerb. Vielmehr handelt es sich um einen Sektor mit ausgeprägter Oligopolstruktur. Rein marktlich gesehen ist das von der unverstandenen staatlichen Geldhoheit so verschieden nicht – nur dass Privaten die Ausübung staatlicher Souveränitätsrechte grundsätzlich nicht zusteht.
Zu Beginn einer Free Banking Epoche würde jede Bank mit ein paar hundert Millionen Bilanzsumme versuchen, ihre eigene Währung zu lancieren. Im Ergebnis hätte man erst einmal hunderte von Banken-Kirchturmwährungen – ein Transaktionskosten-Trauma. Nicht lange danach freilich würden die meisten Banken-Währungen durch einen starken Konzentrationsprozess vom Markt verdrängt. Am Ende hätte eine Handvoll globaler Megabanken alles unter ihrer eigennützigen Kontrolle.
Die Währungsspekulation wäre bei Banken-Währungen mit Sicherheit ebenso ausgeprägt wie bei nationalen Währungen; und wenn dem so ist, gäbe es vor allem auch Währungsmanipulation seitens der marktbeherrschenden Akteure, von keinesfalls geringeren Ausmaßen als Anhänger eines Free Banking solche Manipulationen Regierungen und Zentralbanken unterstellen.
Weit davon entfernt, ein selbstbegrenzendes Gleichgewicht zu finden, produziert der Bankensektor wiederkehrendes Marktversagen und zwar in Form von pro-zyklisch und pro-trendig überschießenden Geldmengen mit Inflation, Finanzgüter-Inflation, Blasenbildung und Überschuldungskrisen. Die Geld- und Kapitalmärkte versagen zwangsläufig, weil ihnen ein Knappheitsanker fehlt (heute die Bindung an das reale Wachstumspotenzial bei optimaler Auslastung der Kapazitäten). Die Banken selbst werden einen solchen Knappheitsanker gewiss nicht festlegen wollen, davon abgesehen, dass sie es als einzelne nicht können und sie es in sektoraler Übereinkunft auch nicht dürften ohne damit jegliche Wettbewerbs- und Kartellordnung zum Witz zu machen.
Free Banking würde all jene Disfunktionen fortsetzen, die man aus der Geschichte des früheren Banken-Papiergeldes und heutigen Giralgeldes inzwischen bestens kennt – Inflation, Asset Inflation und Banken- und Finanzkrisen. Wer haftet? Die Banken nicht. Sie gehen bankrott und reißen die Vermögen ihrer Kunden insoweit mit hinein. Oder sie erzwingen, da mehr denn je too-big-to-fail, weiterhin ihre Rettung auf Staatskosten.
Goldbindung
Vermutlich war es das Problem des fehlenden Knappheitsankers, das bereits Ludwig von Mises und später auch Hayek selbst über eine Goldbindung des Free Banking nachdenken ließ. Heute wird eine solche Goldbindung von Jesús Huerta de Soto offensiv vertreten, einem Wortführer der Neo-Austrians. ( > Paper on de Soto here).
Aber der Goldstandard ist eine trügerische Hoffnung. Er hat in der Wirklichkeit seiner knapp 150jährigen Geschichte nie so funktioniert wie man sich weismacht. Sei es auf Betreiben der Banken, oder im nationalen Interesse im Ausnahmezustand, hat man das Geld-zu-Gold-Verhältnis immer wieder gelockert (mehr Banknoten auf eine Einheit Gold), oder man hat den Goldstandard vorübergehend überhaupt suspendiert. Noch mehr fällt ins Gewicht, dass sich der Goldstandard nur auf Papiergeld bezog, nicht auf Giralgeld – das aber im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts mit heute 82–97% Anteil an der Geldmenge zum dominanten Zahlungsmittel überhaupt geworden ist.
Würde man jedoch einen Goldstandard auf alles Geld einführen – auf Münzen, Noten, Kontogeld und E-Geld – würde sich der vermeintliche Segen der Goldbindung umso deutlicher als neoklassisches Glasperlenspiel entpuppen. Österreichische und Neo-Österreichische Schule unterstellen, dass bei wachsender Wirtschaft und gleich bleibender oder weniger wachsender Geldmenge der Produktivitätszuwachs sowohl Kapitalbesitzern wie auch Lohnempfängern in Form eines allgemein sinkenden Preisniveaus zugute käme. Eine solche organische Abwärtselastizität der Preise gibt es in Wirklichkeit aber nicht. Die Verhaltensökonomik hat unter mehrerlei Aspekten erläutert, warum nicht. Rauf mit Preisen und Löhnen geht relativ gut, runter damit geht nicht gut. Anstelle der segensreichen Abwärtsanpassung des Preisniveaus kam es realhistorisch wiederholt nur zu deflationären Stockungen mit erhöhter Arbeitslosigkeit und Realeinkommenseinbußen – außer für die Geldbesitzer, die einen realen Wertzuwachs realisierten (höhere Kaufkraft je Geldeinheit).
Dass Gold auch unter ökologischen Aspekten ein 'barbarisches Relikt' ist, wie Keynes den Goldstandard schon 1923 charakterisierte, braucht an dieser Stelle erst gar nicht weiter ausgemalt zu werden. Modernes Zeichengeld erfüllt seine Funktion bei ordentlicher Bewirtschaftung einwandfrei und kann jederzeit in jeder adäquaten Menge bereit gestellt werden. Solange die Wirtschaft wächst, braucht sie eine kommensurabel wachsende Geldmenge - nur muss diese in etwa dem realen Wachstum entsprechen, dem tatsächlichen extensiven und intensiven Produktivitätszuwachs - ohne monetär induzierte Inflation, und ohne BIP-disproportionale Aufblähung der Finanzaktiva, die leistungslos Kaufkraft abschöpfen.
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