Private Kryptowährungen versus digitales Zentralbankgeld

Das Thema 'Private Kryptowährungen versus digitales Zentralbankgeld' hat zwei Aspekte – eine ordnungspolitische Dimension, zum anderen die Frage der ökono­mischen Effizienz der Zahlungsmittel.

Was die ordnungspolitische Dimension angeht, vertritt dieser Beitrag eine charta­­­listische Sichtweise, also Geld als Sache der staatlichen Währungssouveränität (im Euro­raum Staaten-­gemein­schaft­lich). In der Geschichte des Geldes seit der ­frühantiken Staaten­bildung war Geld, bei nur wenigen Ausnahmefällen, durchweg eine Prärogative, ein hoheitliches Vorrecht, der jeweiligen Obrigkeit – traditionell als staatliches Münzregal, in moderner Zeit als Noten­monopol der Zentral­banken sowie als Zentralbank-Buchgeld (sog. Reserven) für den Gebrauch der Banken. Die Zentralbanken wurden im Lauf der Zeit zunehmend verstaatlicht, erlang­ten dabei aber auch zunehmende Unabhängigkeit von Regierungs­weisungen, ähnlich der Weisungs-unabhängigen Stellung der Gerichte. 

Hinzu kommt heute digitales kryptographisches Geld, digitale Tokens. Die jetzigen privaten Kryptowährungen – am bekann­tes­ten Bitcoin, auch Ethereum – erheben gleich staatlichen Währungen den Anspruch, Geld zu sein. In der Praxis dienen sie jedoch vor allem der Geldanlage, als eine neue Art von Finanzwert, kaum als Zahlungs­­mittel, und wenn, am ehesten als Überweisungs-Vehikel zwischen zwei staatlichen Währungs­räumen, als schnellere und billigere Alternative zu Banküberweisungen. In einigen Län­dern gibt es digitale Tokens bereits auch als staatliches Geld in Form von digitalem Zentralbank, abge­kürzt CBDC von Central Bank Digital Currency, zum Beispiel in China. In Europa ist die Ent­wick­lung eines digitalen Euro weit voran­ge­schrit­ten, ähnlich wie in etlichen anderen Staa­ten.[1] Jedoch besteht in den meisten Regierungen und Zentralbanken eine ambi­va­lente Zögerlichkeit, CBDC nun auch wirklich einzuführen. Das hat seinen Grund in Interessen­s­diver­genzen zwischen progressiven Befürwortern von CBDC und konservativen Bewahr­ern des bestehenden Bankengeldregimes.

Zum Chartalismus gehört der Begriff des gesetzlichen Zahlungs­mittels. Damit ist faktisch staat­liches Geld gemeint, Geld der Regierung (Münzen) oder der Zentralbank (Noten, unbare Re­ser­ven, nun auch CBDC). Solches Geld ist als Zahlungsmittel zu akzeptieren sofern nicht die Beteiligten ein­ver­nehmlich eine andere Zahlungsweise vereinbaren. Im heu­ti­gen Geld­system fun­gie­r­en die gesetzlichen Zahlungsmittel als Basisgeld oder Geld­basis. Auf dieser ersten Geld­stufe bauen private Geldsurrogate zweiter Stufe auf, heute das Bankenbuchgeld (Giralgeld, Kontoguthaben), sodann auf dritter Stufe seit den letzten Jahrzehnten E-Gelder, Geld­markt­fonds-Anteile, und neuerdings auch Stablecoins, die sich 1:1 an den Kurs einer nationalen Währung binden, heute meist den US Dollar.

Für I. Fisher war die nationalstaatliche Währungssouveränität eine Prärogative 'of consti­tu­tional importance'. Für Keynes stand die char­ta­listische Auffassung von Geldhoheit und Währungssouveränität 'out of the question'. Auch der Monetarismus ging davon als einer Selbstverständlichkeit aus. Der junge M. Friedman und die frühe Chicago School waren wie I. Fisher Verfechter des  full reserve banking, einem Vorläufer der Vollgeldtheorie. Wissen­schaft­lich und politisch begründet wurde der Chartalismus mit der Britischen Currency School der 1830er Jahre; im Gegen­satz zur damaligen Banking School, die für privates Banken­geld unabhängig von Zentral­bank und Regierung eintrat. Der Ausdruck Chartalis­mus stammt von G. Fr. Knapp 1905. 

Geld ist demnach ein Geschöpf der staatlichen Rechtsordnung, keine Sache des Privat­rechts und individueller Verträge. Notabene, die Rede ist von der Geld- und Währungs­ordnung, einschließlich der Geldpolitik, auch der Geld­schöpfung, im Unter­schied zur Geldverwendung. Die Verwendung von Geld ist in einer offenen und freien Wirt­schaft individuelle Sache der jeweiligen Geldbesitzer, gleich ob im Banken­sektor oder sonst in Firmen, privaten und öffentlichen Haushalten. Die Zentral­bank soll keine ökonomische Parallel-Regierung oder eine zentralistische Finanz­planungs-Behörde sein. Aus diesem Grund soll Kredit­len­kung durch die Zentralbank in aller Regel nicht statt­finden, allenfalls im offiziellen Ausnahme­zustand.

Die vorgenannte Unabhängigkeit der Zentralbankgeldpolitik von Regierungsweisungen sowie auch die Unter­scheidung der Geld­ordnung/Geld­politik von der Geldverwendung sind faktisch Elemente der Gewaltenteilung, Elemente von Checks & Balances – und Grundsätze, die so im deutschen Ordo­libe­ralismus schon seit hundert Jahren vorhanden sind; im Gegen­satz zur libertären Öster­reichischen Schule nach L. von Mises, Fr. von Hay­ek und Huerta de Soto, zuletzt als Neo­aus­trian School und Anarcho­capitalism (M. Roth­bard) in den USA verbreitet. Staat­liche Geldhoheit und Währungs­souve­rä­ni­tät sind ihnen ein Dorn im Auge. Mit dem Begriff des gesetz­lichen Zahlungs­mittels wollen sie nichts zu tun haben. Die heutigen Befür­wor­ter und Nutzer von privaten Krypto­währun­gen sehen sich teilweise bewusst als Ver­treter einer solchen radikal-libertären anti-staatlichen Ord­nungs­­politik. Sie propagieren die 'Entstaatlichung des Geldes' (Hayek). Auch jene, die sich dessen nicht bewusst sein mögen, handeln faktisch im Interesse einer solchen radi­ka­len Privati­sier­ung des Geldes (der Zahlungsmittel) und der Währungen, in denen das Geld denominiert ist.      

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Nun zum Aspekt der Effizienz der Zahlungsmittel. Digitale Tokens können gegen­über dem heutigen Buchgeld einigen Zusatznutzen bringen. So können Zahlungen, bei entsprechen­dem technischem System­design, schneller und preis­werter erfolgen als Banküber­weisun­gen bisher. Die Tokens können von Nutzern im Zusammenhang mit smart contracts pro­gram­miert werden, bei Eintreten bestimmter Bedingungen für bestimmte Verwendun­gen. Im Manage­ment großer Unternehmen und öffentlicher Verwal­tun­gen wird das von Nutzen sein. Außerdem ist das Potential der unerwünschten Big-Brother-Watching-You Über­wachung eher geringer, jedenfalls nicht größer als im heuti­gen Buch­geldregime der Banken.

Man kann digitale Tokens als eine Art von modernem Bargeld sehen. Die Tokens wandern direkt von einem digitalen Wallet ins andere, wie Bargeld von Hand zu Hand, kein Buch­geld mehr, kein Konto­guthaben das in der Bilanz einer Bank eine Ver­bind­lich­keit dieser Bank darstellt – und damit ein Ausfallrisiko für die Besitzer der Guthaben. Das heutige Buch­geld, unsere Konto­gut­haben, sind in ihrem Bestand gänzlich den Risiken des Banken­sektors und der Finanz­wirtschaft ausgesetzt. Zugespitzt formuliert: unser Geld befindet sich heute in Geisel­haft der Bankbilanzen. Das wird mit digitalem Zentral­bank­geld, zum Beispiel einem digitalen Euro im Publikumsverkehr, nicht mehr der Fall sein, so wenig wie es mit herge­brachtem Bargeld, der klassischen Form von Vollgeld, der Fall ist. Die Bargeld-gleiche Bestandsicherheit digitalen Zentralbankgelds, das soz. 'unver­schwind­bar' wird, egal was mit Banken und Finanzmärkten geschehen mag, auch und gerade in Krisen­zeiten, ist per se ein erheblicher Stabili­täts­­faktor.

Allerdings gilt das nur für digitales Zentralbankgeld (CBDC), nicht für private Kryptos. Für das Gros der heuti­gen Kryptos lässt sich ihr sicherer Bestand und ihre Resilienz in Krisen bestreiten, denn sie sind selbst kein Basisgeld erster Stufe in eigenem Recht. Soweit sie mit anderen Geld­surro­ga­ten und Wert­papieren unterlegt sind, ist ihre Solvenz ggf gefähr­det. Eine Ausnahme davon macht Bitcoin, insofern sich dessen Menge nicht willkürlich erweitert lässt, und sich nur durch Rechen­­leistung (Mining) einer endgültigen Grenz­menge annähert. Aktuell gibt es 19 Mio Bitcoin, die erreichbare Grenzmenge liegt bei etwa 21 Mio Bitcoin. Diese endgültige Menge wird aber nach kolportierten Annahmen, erst um das Jahr 2140 erreicht. Man unterstellt hierbei wohl einen exorbitanten Wert­zuwachs, sodass selbst noch minimalste Mengen an zusätzlichen Bitcoin den immer größeren Rechenaufwand noch lohnen.

Was die Transfer-Effizienz angeht, sind die heutigen privaten Kryptos langsam und teuer. Mit den RTGS-Systemen der Zentralbanken können sie nicht im geringsten mit­halten. Das Euro-Zahlungssystem TIPS (Target Instant Payment Settle­ment) bringt es auf 6.000 bis 10.000 Buchgeld-Transfers pro Sekunde. Visa oder Mastercard schaffen immer­hin um 2.000. Bitcoin dagegen kommt nur auf überaus langsame 4–7 Trans­aktio­nen pro Sekunde. Ethereum schafft mit 15 kaum mehr. Das liegt an dem über­zogen dezen­tralen Verifi­zier­ungs­­prozess auf der Blockchain dieser Kryptos. Zugleich bringt dies einen immensen Rechen­aufwand und Stromverbrauch mit sich, damit Umwelt­belast­ung und situativ möglicherweise auch hohe Überweisungskosten.     

Zu den Vorteilen von digitalem Zentralbankgeld, die private Kryptos nicht aufweisen, über seine Bestandsicherheit und Transfer-Effizienz hinaus, gehören außerdem noch folgende:

<> Die Substitution von Bankengeld durch Zentralbankgeld im Publikumskreislauf be­deutet eine Ausweitung des Zentralbankgeld-Mengenhebels, und damit eine erhöhte Wirk­sam­keit der Zinspolitik, ebenso eine wieder ermöglichte Geldmengenpolitik. 

<> Dies wiederum ermöglicht eine bessere Kontrolle über die Geldschöpfung (die heute faktisch bei den Banken liegt) und die fortlaufende Readjus­tierung des Geldbestands, damit eine verstetigte und stabilere Geld- und Finanzentwicklung.

<> Nicht zuletzt ergibt sich ein erhöhter Geldschöpfungsgewinn der Zentralbank zugun­s­ten der Staatskasse (Seigniorage), ggf umgesetzt als Steuersenkung oder auch als Bürger­dividende.

Um nicht missverstanden zu werden, sei gesagt, das dargelegte Verständnis von Charta­lismus schließt privates Kryptogeld nicht kategorisch aus, jedenfalls nicht Stable­coins als Geld­surro­gate dritter Stufe. Diese lauten zwar nicht auf staatliche Währung, binden sich aber de facto 1:1 daran. Im Vergleich zu herkömmlichen Bank­über­weisungen (mit einge­bauter Gut­schriften-Verzögerung) sind Stablecoins ein billiges Echtzeit-Zahlungs­mittel. Unter diesem Aspekt nimmt ihre Nutzung aktuell zu, auch grenz­über­schreit­end, speziell bezüglich Ländern mit weniger entfalteter und teurer Banken-Infrastruktur. Allerdings sind Stablecoins, wie andere Kryptos, heute auch ein Tummel­platz für Zahlungen zu ille­ga­len Zwecken wie zum Beispiel Drogenhandel, Geldwäsche, Erpressung oder einfach Schwarzarbeit.

Zu idealisieren gibt es an Stablecoins so wenig wie an der zurückliegenden Entfaltung des Bankengelds bis hin zu dessen heutiger Dominanz und systemischen Instabilität. Soweit Stablecoins in Konkurrenz zum Bankengeld treten und dieses in nennenswertem Umfang substituieren würden, wäre geldpolitisch nichts besser, nur komplizierter; ein­schließlich der Denominierung der meisten Stablecoins in US Dollar.

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Ernsthaft problematisch liegen die Dinge, wenn es sich um private Krypto­währungen handelt, denn diese beanspruchen faktisch, ein Basisgeld in angemaßtem eigenem Recht zu sein, etwa die genannten Bitcoin oder Ethereum. Sie treten in eine unmit­tel­bare Substi­tu­tions-Konkurrenz gegen staatliche Währung – jeden­falls potenziell, einmal ange­nom­men solche Privatwährungen würden überhaupt massenhaft und in sehr groß­em Umfang  Verbrei­tung als Zahlungs­mittel finden, in und über Staatsgrenzen hinweg.

Bisher ist das futurologische Vision, nicht absehbare Realität. Aber es gibt dafür einen Präzedenz­fall, und zwar den Facebook-Plan von 2019/20 für eine private Krypto­währung namens Libra, gestützt auf ein Konsortium von international tätigen Finanz- und Techno­logie-Konzernen. Der Plan stieß auf starken Widerstand, nicht nur von Seiten der Banken, deren Buchgeld verdrängt würde, sondern auch Widerstand der Politik, der Zentral­ban­ken und Regier­un­gen im Interesse ihrer staatlichen Währungs­souveränität, und das vor allem auch in den USA was die Hegemonie des US Dollars angeht.

Inzwischen, fünf Jahre später, hat sich das möglicherweise geändert mit der Verquickung von Big Tech, Big Money und Big Gov, personifiziert im Nahezu-Billionär Musk und neuer­lich einem US Präsident Trump. Musk und Trump haben eigene Meme Kryptos lanciert, Doge coin und Trump coin. Trump möchte die USA zur 'crypto capital of the planet' machen. Zu diesem Zweck hat Trump die weitere Entwicklung eines digitalen Dollars der Federal Reserve und des US Treasury per Dekret verboten.

Damit wird die bisherige Geldgeschichte der USA auf den Kopf gestellt. Die USA haben eine kaum unterbrochene Tradi­tion staat­licher Münzen und Geldscheine seit dem frühen 18. Jhd, damals noch als colonial bills. Später halfen Conti­nental dollars, den Unabhängig­keits­krieg zu gewinnen, auch wenn die Briten diese Dollars mittels infla­tio­närem Falsch­geld stark entwerteten. US Präsi­den­ten seit Lincoln 1862 bis weit ins 20. Jhd hinein brachten US Treasury Dollarnoten in Umlauf, be­kannt als  green­backs, auch lange Zeit noch parallel zu den US Federal Reserve Notes seit 1913, und bis heute immer noch gültiges gesetzliches Zahlungsmittel.

Nun hat dieser Präsident, der vermeint to 'make America great again', verboten, diese nationale Tradition durch CBDC, d.h. einen digitalen Dollar der US Federal Reserve, ins digitale Zeitalter hinein fortzusetzen. Zugleich behauptet Trump die weltweite Hege­monie des US Dollars zu stärken. Das ist in sich unstim­­mig, auch für jeman­den, der darauf aus ist, den Staat für seine privaten Gewinn- und Machtinteressen zu kapern, und zu diesem Zweck verlangt, die US Federal Reserve solle Kryptowährungen als Teil ihrer internatio­na­len Währungsreserven halten. Es bleibt zu hoffen, dass derartige fundamental falsche Weichen­­­stel­lungen gestoppt und rückgängig gemacht werden. Würde heute erneut ein großes Konsortium von Big Tech und Big Finance eine Krypto­währung auflegen, ohne Beteiligung der US Regie­rung aber mit ihrer Duldung, dann könnte es womöglich brenzlig werden für das staatliche Währungs­­monopol und das Basisgeld der Zentral­banken, und ebenso für die heute domi­nante Rolle der Banken und des Bankengelds.

Ökonomen predigen gern die Segnungen des Wett­bewerbs; im Prinzip zu Recht, aber nur unter der Bedingung wirksamer Checks and Balances. Denn in der wirklichen Wirtschaft ziehen die Akteure es vor, sich der Konkurrenz möglichst zu ent­ledigen, um eine abge­schirmte Stellung oder eine Marktvor­macht-Stellung zu erlan­gen. Zwar werden private Monopole von den Behörden heute nach Möglichkeit unterbunden. Aber massive Kon­zen­tra­tions­prozesse mit Oligopolbildung finden praktisch unablässig statt. Gerade Geld und Finanzen, inter­natio­nal die staatlichen Währungen, unterliegen unablässig starken Einfluss­nahmen und Macht­kämpfen.

Der ultra-libertäre Anti-Etatismus derer, die eine Entstaatlichung des Geldes und der Währ­ungen fordern, verkennt, dass neben gesetz­licher und statuarischer Weisungs­befugnis sicherlich Geld das bedeutendste soziale Medium der Steuerung und Macht­ausübung ist. Aus unerfindlichen Gründen aber meinen libertäre Neoaustrians an­schei­n­end, Machtpolitik und mani­pu­lative Machenschaften seien ausschließlich ein Charak­te­ris­ti­kum von Politik, Regierungen und Zentral­banken, als seien Banken, Finanz­märkte und die sonstige Wirtschaft davon ausge­nom­men. Solcherlei Einäugigkeit hat etwas Absurdes. Im hypo­thetischen Fall der massen­haften Ausbreit­ung von privaten Krypto­währungen sind Vormacht-Konkurrenzkämpfe, Machenschaften und Konzen­trations­prozesse geradezu vorprogrammiert. Beim Bitcoin-Mining haben zuletzt massive Konzen­tra­tions­prozesse bereits statt­gefunden. Und natürlich gibt es unter den Kryptos von vornherein die größeren und die kleineren mit entsprech­end unterschied­licher Marktstellung und Finanzkraft.

Gleichwohl, dass die privaten Krypto­währ­ungen in einen ernstlichen Verdrängungs­kampf gegen staatliche Währungen eintreten würden, dazu dürfte es, wenn über­haupt, so bald nicht kommen. Vorerst bleibt die Akzeptanz von privaten Kryptos davon abhängig, dass sie über Wechselbörsen re-konvertibel sind in offizielle staatliche Währung. Ohne diese 'Rück­ver­sicherung' werden viele Anleger Kryptos nicht benutzen, weder als Zahlungs­mittel noch als Finanzanlage. Zweitens werden etablierte Kräfte im Banken- und Finanz­wesen und der Politik auf nationaler wie auch internationaler Ebene bleibenden Wider­stand leisten gegen private Kryptowährungen. Und drittens, und nicht zuletzt, sind da noch die die Funktionsprobleme der privaten Kryptos selbst.

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Die aktuell vorhandenen hunderte, ja tausende von Kryptos erinnert historisch an die Situation mit allzu vielen Münzen von der frühen Neuzeit bis Ende des Dreißigjährigen Kriegs; Münzen von überall her, vollwertige gute und minderwertige schlechte Münzen, bei instabilen Pari­täten; ähn­lich die bald folgende Zettelwirtschaft der privaten und fürstlichen Geld­scheine seit dem späten 17. bis weit ins 19. Jhd. Als Geldnutzer konnte man kaum wissen, wieviel Wertdeckung, damals Gold und Silber, da wirklich dahinter stand, und wie weit man den Fürsten und Privatbanken als den Emit­tenten von Papier­geld vertrauen konnte. Das führte zu Akzep­tanz­problemen, war hinder­lich für den Handel, und brachte unnötige Transaktions­kosten mit sich. Was war die Lösung des Problems? Die effiziente Ant­wort war das Noten­mono­pol der Zentralbanken auf der Grundlage staat­licher Währungseinheit; zunächst für staatlich statuierte private National­banken, später zunehmend als  ver­staat­lichte Nationalbanken. Seit­her konnte man sich auf einen effizienten Zahl­ungs­­verkehr normalerweise verlassen, wiewohl im Rahmen des technisch jeweils Möglichen.

Aus gutem Grund gibt es das staatliche Gewaltmonopol von Polizei und Militär anstelle privater Söldnerarmeen, ziviler Milizen und Schlägertrupps krimineller Milieus. Ebenso gibt es sinnvollerweise eine einheitliche staatliche Rechtsordnung anstelle eines Neben- und Gegeneinanders von staatlichem Recht, ausländischem Recht, christlichem Kirchen­recht und der Scharia 'im Wettbewerb'. So etwas gibt es allenfalls in gescheiterten Staaten unter Bürgerkriegs­bedin­gungen. Ebenso dysfunktional ist es, innerhalb eines Staats mehrerlei Währungen statt eines einheitlichen Währungsraums zu haben; außer eben, es handelt sich um einen schei­­tern­­den Staat mit zerrütteter offizieller Währung. Die Nutzung paralleler Währungen ist dann ein Fall von Währungsflucht im eige­nen Land.          

Mit den vielerlei Kryptos von heute scheint sich die historische Problematik sinn­gemäß zu wieder­holen, zumal wenn keine Geld- und Kapitaldeckung hinter den digitalen Tokens steht. Selbst mit solcher Deckung hängt ihr Wechselkurs vor allem an der nicht unbedingt verlässlichen Bedingung einer großen und stabilen Zahl von Nutzern. Da ist es mit der Faszination für Kryptocoins ähnlich wie mit modernen Kunstwerken – man weiß nicht so recht, ob die Stücke ihr Geld wirklich wert sind, oder ob die weg können.

Jedenfalls, am Währ­ungs­wett­bewerb unter vielerlei Krypto­­währun­gen gibt es nichts zu idealisieren. Die ­meisten privaten Kryptos scheitern am Problem der Akzeptanz und Ver­wend­barkeit. Ansonsten, im hypothetischen Fall eines massiven Wachs­tums von privaten Kryptos, wird der Kryptomarkt einen entsprechenden Konzentrationsprozess durch­laufen. Die größeren und stärke­ren verdrängen die kleineren und schwächeren. Übrig bleiben würden private, international aufgestellte Krypto-Oligo­pole, mit einer größeren Markt­kapi­talisierung als das BIP der meisten derzeit 195 Staaten der Erde.[2]

Der radikale libertäre Anti-Etatismus der privaten Kryptowelt dient nicht einer Welt der Mensch­en­­rechte und bürgerlichen Freiheiten, viel eher einer undemokratischen Welt von Big-Tech-Finanz­oligarchen und autoritären Autokraten, einer Welt nach dem Belieben der Ultra-Reichen und Super-Mächtigen.


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Fußnoten

[1] Central Bank Digital Currency Tracker - Atlantic Council

[2] The World's Tech Giants, Compared to the Size of Economies (visualcapitalist.com)