Wie verträgt sich Vollgeld mit Regiogeld und anderen Komplementär­währungen? Müsste Regiogeld nicht verboten werden, wenn allein die Zentralbank Geld schöpfen darf?

Darauf kann man zwei Antworten geben, eine puristische und eine pragmatische. Die puristische Antwort lautet: Ein uneingeschränktes staatliches Geldregal der Zentralbank ist mit Komplementärwährungen nicht vereinbar, genauso wenig wie mit parallelem Bankengeld (kommerziellem Giralgeld), auch wenn Kom­ple­mentärwährungen heute nicht kommerziell angelegt sind und Gemeinnützigkeit beanspruchen.

Die pragmatische Antwort lautet: Solange Komplementärwährungen komplementär bleiben, sie also von lokaler Reichweite oder spezieller Zweckbestimmung bleiben und sie damit weder nach ihrem Volumen noch nach ihrer universellen Nutzbarkeit zur offiziellen Währung in eine echte Geltungskonkurrenz treten, so lange kann das staatliche Vollgeld der Zentralbank mit Komplementärwährungen und privaten Verrechnungs­syste­men bestens koexistieren, tatsächlich zum gegenseitigen Vorteil im Sinne der Ergänzung von 'großer' formeller Ökonomie und 'kleiner' bis informeller Ökonomie. 

Regiogeld und gemeinschaftliche Verrechnungssysteme (Tauschringe) könnten künftig eine bedeutende Rolle spielen, die weit über ihre historische Rolle als Notwährung oder Behelfsarrangement hinausginge, vor allem im informellen Sektor der Arbeit und Wirtschaft (Eigenarbeit, Nachbarschaftshilfe) sowie im Übergangsbereich zwischen formellem und informellem Sektor (intermediärer Bereich, 'Dritter Sektor' jenseits von Markt und Staat), also dem Bereich von Ehrenamt und Freiwilligentätigkeit, sowie auch dem Bereich marginaler Erwerbstätigkeit oder häufigen Wechsels zwischen formaler Erwerbstätigkeit und Nichterwerbs-Tätigkeit.

Regiogeld und kommunitäre Verrechnungssysteme messen auch den Nichterwerbs-Tätigkeiten quasi einen Geldwert zu, eine quantifizierte Wertschätzung und Anerkennung. In gewisser Weise würde dies eine Art von Monetarisierung mittels nicht-offizieller Währungen bedeuten. Man  braucht darin jedoch nicht in konservativer Reaktion eine Fehlentwicklung zu sehen, handelt es sich doch vermutlich eher um eine wünschenswerte Modernisierung in einer Gesellschaft, die auf unabsehbar lange Zeit weiterhin eine auf Produktivität orientierte Arbeits- und Leistungsgesellschaft bleiben wird. Der Kreis von intrinsisch Motivierten und Idealisten ist recht klein, darauf kann man eine moderne Gesellschaft noch lange nicht aufbauen, vielleicht niemals. Die Anerkennung von Nichterwerbs-Tätigkeiten durch Regiogeld und kommunitäre Verrechnungssysteme ist hier anschlussfähig, indem sie Nützlichkeitsdenken und einen gewissen Idealismus miteinander zu verbinden vermag.

Manche Betreiber von Komplementärwährungen möchten neben der staatlichen Währung offiziell anerkannt werden, zum Beispiel um mit Regiogeld Steuern bezahlen zu können. Dies würde – zunächst unabhängig davon, ob unter Bedingungen von Giralgeld oder Vollgeld – mit sich bringen, den speziellen Status von Komplementärwährungen rechtlich zu formalisieren. Vermutlich käme es zu einer Festlegung zugelassener spezieller Zwecke sowie einem Fokus auf Gemeinnützigkeit oder öffentlichem Interesse. Damit würde die allgemeine Verbreitung von Komplementärwährungen in Wettbewerb zur offiziellen Währung ausgeschlossen. Ob die Unterstützer von Regiogeld das wirklich wollen? Nicht ausgeschlossen wäre gleichwohl die Überwucherung von Komplementärwährungen mit kommerziellen Parallelwährungen, wie sie diverse Internetanbieter zu lancieren versuchen. Letztere könnten – ohne gesetzliche Vorkehrungen – hypothetisch zu einem Problem sowohl für gemeinsinnige Komplementärwährungen als auch für Banken- und Zentralbankgeld werden. Was halten Betreiber von Komplementärwährungen von Free Banking und Bitcoins?