Der digitale Euro erster Generation

Großer Schritt in kleinster Weise. Die Zusammenhänge und Interessen dahinter

Die Systemarchitektur des Digitalen Euro

111 von 131 Ländern arbeiten aktuell an einem digitalen Zentralbankgeld (CBDC für Central Bank Digital Currency). Davon haben 11 eine erste CBDC Version lanciert, 21 befinden sich in der operativen Testphase davor, 33 in der Entwicklungsphase.[1] Was den digitalen Euro angeht, sind die operativen und gesetzlichen Planungen in­zwischen vorangeschritten.[2] Struktur und Funktionsweise stehen praktisch fest. Danach erfolgen Ausgabe und Zirkulation des digitalen Euro im Rahmen des bestehen zweistufigen Banke­nsystems, wie mit Bargeld, nur eben digital ('digital cash'). Siehe Schaubild. Nach Auffassung der EZB soll der digitale Euro keineswegs dem Bankengeld Konkurrenz machen oder gar es ersetzen, lediglich das Bankengeld ergänzen.


Der digitale Euro wird von der EZB geschaffen und per Kredit an Banken heraus­ge­ge­b­en. Dazu dienen die herkömmlichen Kanäle wie Offenmarkt-Repos und reguläre Re­fi­nan­­zier­ungs­­­­geschäfte; in aller Regel zunächst bereitgestellt als ZB-Reserven­gut­haben der Banken, welches dann in Bargeld oder in digitale Euro ausgewechselt werden kann.

Die Banken geben die digitalen Euro gemäß Nachfrage an ihre Kunden weiter (Nicht­banken-Endnutzer), in Auswechslung aus einem Giroguthaben, analog zum Abheben von Bargeld. Soweit die Banken digitale Euro benutzen, müssen sie diese ebenso ver­fügbar haben wie Bargeld im Kassenbestand/Geld­auto­ma­ten. Das heißt, der digitale Euro muss von den Banken zu 100% finanziert sein. Wieder anders gesagt, soweit es den digitalen Euro betrifft gibt es kein fraktionales Reserve­banking. Außer von der EZB bzw den nationalen Zentralbanken können die Banken digitale Euro auch beziehen, indem sie solche von ihren Kunden leihen oder am Interbanken-Geldmarkt auf­nehmen.

In der Bilanz der EZB erscheint der digitale Euro als eine Verbindlichkeit, als Passivum wie Zentralbanknoten sowie Zentralbank-Reserven der Banken. Bei Banken und Nutzern dagegen ist das digitale Geld, wiederum wie Bargeld, stets ein Aktivum – im Unterschied zum Giralgeld der Banken, dem Bankengeld, das eine Ver­bind­lichkeit (Passivum) der Banken an ihre Kunden bzw eine Forderung (Aktivum) der Kunden an die Bank darstellt.    

Die Verbuchung von Zentralbankgeld als Verbindlichkeit ist historisch schon lange überholt, vollends seit die nationalen Währungen reines Fiatgeld geworden sind, d.h. ein Geld, das weder durch Gold noch Silber gedeckt ist, sondern allein durch hin­reich­en­des Vertrauen in einen betreffenden Staat, seine Zentralbank und Regierung, die Stabilität der Währ­ung - Geltung, Wert, Beständigkeit - Beständigkeit zu gewähr­leisten und sie auch in Krisen zu verteidigen. Wenn eine Zentralbank einer Bank Zentral­bankgeld leiht und bar oder unbar ausbezahlt, dann hat sie als Gläubiger der Bank gegenüber in Wirklichkeit keine Verbindlichkeit, sondern  nur eine Forderung, wohl aber hat die Bank als Schuldner eine Verbindlichkeit gegenüber der Zentralbank. Gleichwohl werden modernisierte Ansätze einer stimmigen Ver­buch­ung und Bilan­zier­ung von Zentralbank-Fiatgeld weiterhin ignoriert.[3]

Die digitalen Euroguthaben und Zahlungsvorgänge zwischen Zentralbanken, Banken und Nutzern können im Prinzip herkömmlicher Art sein (Überweisung von Buchgeld), aber vor­aussichtlich kommt der digitale Euro als Kryptowährung. Das heißt, Besitz und Übertragung von digitalen Euro beruhen auf einer nicht-öffentlichen Zugangs-autori­sier­ten Datenbasis. Diese ist keine Blockchain, so wenig es sich bei den Euro­tokens um Cryptocoins handelt.

Individuelle Nutzer haben Zugang zu ihrem digitalen Eurokonto mittels einer App, einer e-wallet. Diese wird den Kunden von Banken und anderen Zahlungs­diensten aus­­gestellt. Der Ausdruck e-wallet (elektronische Brieftasche) ist anschaulich, aber etwas irreführend. Denn ein e-wallet bzw die künftige digitale Euro App ist kein Geld­behältnis wie ein Geldbeutel oder eine Bar­geldkasse, sondern eine Art Pass, oder Schlüssel. Dieser eröffnet Zugang zu speziellen Informationen einer Adresse (einem Konto) in der System-Datenbasis.[4]

Die digitale Euro App erlaubt es, das Guthaben – auf einer Blockchain auch Token genannt – in einem betreffenden Eurokonto zu prüfen und Echtzeit-Zahlungen vom Zahler zum Empfänger zu tätigen. Dies geschieht ohne mone­täre Vermittlung durch Banken/Zahlungsdienste. Bankengeld und Zentralbank-Reserven sind hier nicht involviert. Wohl aber findet eine technische Zahlungs­ver­mitt­lung im Rahmen des digitalen Euro-Zahlungs­systems statt. Zahlungen in digitalen Euro werden in der Regel online erfolgen, können jedoch auch offline vorgenommen werden mittels Near-Field Communication (NFC) ähnlich wie mit Geldwertkarten.

Vollgeld-Designprinzipien des digitalen Euro

Der digitale Euro ist eine neue, dritte Art von Zentralbank-Fiatgeld, zusätzlich zu Zentralbank-Noten und Zentralbank-Kontoguthaben, den sog. Reserven (nur für Banken). Der digitale Euro ist damit Voll­geld mit dem Status eines im Prinzip unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittels unter alleiniger Kontrolle der EZB. Zentralbankgeld dient heute als Basisgeld für das Bankengeld auf zweiter Stufe  sowie für weitere Geld­surro­gate auf dritter Stufe wie zum Beispiel E-Geld, Geldmarktfonds-Anteile und Stablecoins.

Da der digitale Euro Vollgeld darstellt, kann man seine Einführung als Schritt zu einem Struktur­wandel des Geld- und Bankensystems in Richtung einer Vollgeldordnung ver­stehen – aktuell noch nicht, aber in langfristiger Per­spek­­tive. In dieser Perspektive lassen sich eine Reihe von Designprinzipien für digitales Zentralbank formu­lieren:[5]  

Unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel.
Der digitale Euro soll ein universelles Zahlungsmittel sein wie Bargeld es einstmals war und Bankengeld es heute de facto ist. Die Nutzung des digitalen Euro soll keiner willkürlichen Mengen­begrenzung unter­liegen und keinen Beschränkungen hinsichtlich Nutzergruppen und Verwendungszwecken (private und öffentliche Haushalte, Firmen, Finanzinstitute).

Ausgabe von digitalen Euro gemäß Nachfrage.
Digitale Euro sollen von der EZB gemäß Nachfrage der Nutzer in Umlauf gebracht werden. 

—  Unbeschränkte wechselseitige Konvertierbarkeit von digitalen Euro. Im Publikums­kreislauf des Geldes soll zwischen digitalen Euro, Bankengeld und Bargeld jederzeit wechselseitige Umtausch­barkeit gewähr­leistet sein.

—  Dual use von Zentralbanken-Reserven und digitalen Euro.
Im Interbanken­kreislauf sollen Zentralbanken-Reserven und digitale Euro konvertierbar bzw subst­i­tu­tiv einsetzbar sein.

Ausdehnung der Zentralbank-Liquiditätsgarantie auf digitale Euro. Ergänzend zur vorge­nann­ten unbeschränkten wechselseitigen Konvertierbarkeit digitaler Euro soll die Zentralbank ihre den Banken de facto gegebene Liquiditätsgarantie in Buchgeld-Reserven ausdehnen auf digi­tale Euro. Eine solche Garantie wird im Normalbetrieb praktisch keine Rolle spielen. Denn unter Normalbedingungen besteht für einen Erdrutsch von Bankengeld zu digi­talen Euro kein sonderlicher Anlass. In der Krise einer einzelnen Bank oder einer drohenden syste­mi­sch­en Bankenkrise jedoch wird eine solche Liquidi­täts­garantie umso nötiger sein und einem ggf drohenden Run auf das Bankengeld wirksam vorbeugen.

Schrittweise Ausweitung des Gebrauchs von digitalen Euro durch öffentliche Ein­rich­tungen.
In Anbetracht der heutigen Staatsquote am Geldumlauf kann dies erheb­lich zu Verbreitung des digitalen Euro beitragen, selbst bei einer Begrenzung der Höhe von Einzelzahlungen in digitalen Euro.  

Schrittweiser Abbau der Zentralbank- und Regierungs-Garantien für das Banken­geld.
Heute bestehen weitreichende Staatsgarantien für die Groß­banken und ihr privates Bankengeld, zum einen durch die faktische Reserven-Liquiditäts­garantie der Zentralbank für die Banken (ZB als jederzeitiger 'lender of last resort'), zum anderen in Form hoher Regierungs-Garantien für Bankkonto-Guthaben (die Regierung als 'Bankengeldbürge letzter Instanz') sowie durch Rekapi­ta­lisierung von Großbanken in Schieflage (Regierung als 'Banken-Kapitalgeber letzter Instanz').[6] Im Maß wie digitale Euro Verbreitung finden, können im Gegenzug die genannten Staatsgarantien für das private Bankengeld nach und nach zurück genommen werden.

—  Ausgabe von digitalen Euro nicht nur an Banken und ggf andere Finanzinstitute,
son­dern ebenso an die Staatskasse, zum Beispiel durch direkten Ankauf von Staats­anleihen (nicht nur indirekt durch deren Offenmarktaufkäufe), ebenso durch schulden­freie originäre Seignio­rage.

—  Der digitale Euro soll nicht zinstragend sein,
sowenig wie Bargeld verzinslich ist. Sinnvoll verzinst wird Kredit, nicht aber das Geld als Zahlungsmittel. Demgemäß hat die Bundesbank zu ihrer Zeit auf Zentralbank-Reserven­guthaben der Banken keinen Habenzins gezahlt. Schließlich sind Zentralbank-Reserven kein Bargeld-Kredit der Banken an die Zentralbank, sondern originäres Basisgeld.

Dagegen ist die heute über­wiegend ver­tretene Identität von Geld und Kredit eine falsche Identität. Sie stiftet Verwirrung und verursacht die inhärente Instabilität und Krisenneigung des Geld- und Banken­sys­tems, indem sie das Geld zum Bestandteil der Finanz­wirt­schaft und ihrer Risiken macht, anstatt die Finanzwirtschaft auf einem Fundament Bestand-sicheren und stabilen Geldes aufzubauen.

—  Der digitale Euro muss den Schutz der finanziellen Privatsphäre gewährleisten,
Vertraulichkeit, Pseudonymität, im Rahmen des rechtlich Vertretbaren auch teilweise Ano­ny­mität. Absolute Anonymität kann und soll es nicht geben, selbst beim heute unsach­gemäß idea­lisierten Bargeld gibt es sie nur in begrenztem Ausmaß. Zahlungen müssen nachvollziehbar und nachprüfbar sein, im legitimen Interesse aller Beteiligten. Illegaler Geldbesitz und Zahlungsverkehr müssen aufdeckbar sein.     

—  Der digitale Euro soll für die Nutzer gemäß eigenen Zwecken programmierbar sein.
Die Kombination von digitalem Geld und sog. smart contracts kann ein nützliches Instrument des privaten Betriebsmanagements und der öffentlichen Verwaltung sein. Jedoch darf die Verwendung digitaler Euro bei den Nutzern nicht von Seiten der EZB oder der Banken/Zahlungs­dienste gleichsam vor-programmierbar sein.

Der digitale Euro wie von EZB und EU-Parlament aktuell auf den Weg gebracht

Nach den jetzigen, bereits recht festgelegten Planungen wird der digitale Euro erster Generation die vorgenannten Designprinzipien nur zum Teil und nur in eng beschränk­tem Maß erfüllen. Bezüglich der einzelnen Designprinzipien lässt sich folgendes sagen.   

—  Digitaler Euro als unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel für alle Nutzer­gruppen.
Gesetzlich Ja, unbeschränkt Nein. Der digitale Euro ist gesetzliches Zahlungsmittel und für alle Nichtbanken-Nutzer­gruppen zugänglich (retail banking). Aber: Eurotokens werden kein unbeschränktes Zahlungs­mittel sein, sondern in der Menge nur sehr einge­schränkt verfügbar und nutzbar. Die EZB hat sich in diesem entscheidenden, buchstäblich maßgeblichen Punkt öffentlich noch nicht definitiv festgelegt. Aber nach dem, was übereinstimmend und unwider­sprochen kolportiert wird, sollen einzelne Zahlungen begrenzt sein auf 1'000 Eurotokens, das zulässige Gut­haben an Eurotokens auf 3'000. Bei Überschreiten dieser Grenze setzt ein sog. Wasserfall-Mechanismus ein, auch Überlauf-Mechanismus genannt, der die 'über­­zähligen' digitalen Euro auto­ma­tisch in Bankengeld (Girogut­haben) zwangsumwandelt. Wenn umge­kehrt ein digitales Euroguthaben 3.000 unter­schrei­tet, können die Kunden veranlassen, dass aus ihrem Giroguthaben automatisch ein Betrag bis zum zulässigen Limit in Eurotokens um­ge­wechselt wird.

Die sehr beschränkte Nutzbarkeit des digitalen Euro macht deutlich, dass die EZB im Interesse des bestehenden Bankengeldregimes dem digitalen Euro erster Generation keine größere Rolle einräumt als dem residual noch gebräuchlichen Bargeld, eher eine geringere. Das zur Verfügung stellen von digitalen Euro Apps durch Banken, das ein­seitige in Umlauf bringen von digitalen Euro durch Auswechslung aus einem Bank­giro­konto, die Mengenbegrenzung der Nutzbarkeit des digitalen Euro, der Zwangs­rück­tausch 'überzähliger' digitaler Euro auf ein Bankgirokonto all das kop­pelt die Existenz des digi­ta­len Euro faktisch an die Existenz eines Bankgirokontos und macht den digitalen Euro zu einem untergeordneten marginalen Element des Banken­geld­regimes. Es handelt sich um Banken-pro­tek­tio­nistische Maß­nahmen, die das Potential des digitalen Euro künst­lich mini­mieren an­statt den Um­fang der digitalen Euronutzung der Marktnachfrage des Pub­li­kums zu über­lassen.

In anderen Währungsräumen liegen die Dinge ähnlich. In China gab es seit 2022 über 260 Millionen e-Yuan Apps. Ihr weiteres Wachstum scheint seither zu stagnieren, wohl nicht zuletzt weil ihr Gebrauch auf täglich 5'000 e-Yuan beschränkt ist ( ~ 690 USD, 640 Euro), zudem im ganzen Jahr auf nur 50'000 e-Yuan. Die schwedische e-Krona wird in derselben Weise beschränkt wie Bargeld in Schweden (keine großen Geldscheine mehr, nur kleine Barzahlungen). In den meisten EU-Ländern gibt es in­zwisch­en ge­setzliche Obergrenzen für Barzahlung. Früher hieß es "Bargeld lacht". Heute heißt es offensichtlich "Bankengeld lacht". Der digitale Euro hat erst einmal nicht viel zu lachen und mag sich fragen, wie weit den Verantwortlichen wirklich klar ist, warum sie ihn ein­führen.  

— Ausgabe von digitalen Euro gemäß Nachfrage
Ja, aber. Die Ausgabe von Eurotokens erfolgt in der Tat gemäß Nachfrage der Kunden bei Banken/Zahlungsdiensten, und gemäß deren Nachfrage bei der EZB. Nur eben: gemäß den vorgenannten engen Beschränkungen.

—  Unbeschränkte Konvertierbarkeit von digitalen Euro
Konvertierbarkeit Ja, unbeschränkt Nein. Im Publikumskreislauf (retail banking) ist die wechselseitige Konvertierbarkeit von Bankengeld, Bargeld und Eurotokens im Prinzip zwar gegeben, wiederum jedoch nur im Rahmen des o.g. Wasserfall-Mechanismus.

—  Dual use von Zentral-Reserven und digitalen Euro
Nein. Zwar ist ein Umtausch von Zentralbank-Reserven in digitale Euro für den Publikums­gebrauch erforderlich und möglich. In welchem Umfang, ergibt sich aus den vor­ge­nannten Nutzungs-Beschränkungen. Im Interbankenkreislauf dagegen (wholesale banking) wird die Verwendung von digitalen Euro, zusätzlich zu oder anstelle von Zentralbank-Reserven, erst gar nicht thematisiert (dual use). Anders gesagt, das fraktionale Reserve­­­banking und die längerfristig faktisch unbegrenzte Fähigkeit der Banken, sich ihr eigenes Geld zu schöpfen, bleiben unberührt – obwohl digitales  als die technologisch fortgeschrittenere Form ohne weiteres die Zentralbank-Reserven als her­kömm­liches Buch­geld ergänzen oder überhaupt ersetzen könnte. Teurer würde das für die Banken nicht, da sie Zentralbank-Reserven ebenso finanzieren müssen wie digitale Euro. Jedoch bekommen die Banken auf digitale Euro keinen Habenzins, auf Zentralbank-Reserven dagegen aus unerfindlichen Gründen sehr wohl. Als ob die Zentralbank den Banken monetär irgendetwas schulden würde! Wo doch genau umgekehrt die Banken der Zentralbank Zins auf Zentralbank-Kredit und Tilgung desselben schulden.         

— Ausdehnung der Zentralbank-Liquiditätsgarantie auf digitale Euro
Nein. Derlei wurde bisher nicht thematisiert, vermutlich weil ein dual use von Zentralbankreserven und digitalen Euro nicht in Betracht gezogen wird.

— Schrittweise Ausweitung des Gebrauchs von digitalen Euro durch öffentliche Einrichtungen
Nein. Bisher kein Thema.

— Schrittweiser Abbau der Zentralbank- und Regierungs-Garantien für das Banken­geld.
Nein. Bisher kein Thema.

—  Ausgabe von digitalen Euro auch durch direkten Ankauf von Staats­anleihen, ebenso durch schulden­freie originäre Seignio­rage.
Nein, bisher kein Thema. Der digitale Euro erster Generation ist so angelegt, dass er das bestehende Bankengeldregime in keiner Weise in Frage stellt. Das bedeutet, dass der Staat, wenn er Geld über die Steuereinnahmen hinaus benötigt, sich weiterhin exklusiv zuerst bei Banken und anderen institutionellen Investoren verschulden muss. Die EZB ihrerseits ist gesetzlich gehalten, neues Geld, egal ob Buchgeld, Bargeld oder Tokens, nur per Kredit und exklusiv über Banken herausgeben, während es der EZB verboten bleibt, Staatsanleihen direkt von der Regierung aufnehmen (wie anteilig in Kanada üblich) oder der Regierung auch nur einen Überbrückungskredit à Konto einzuräumen.    

—  Digitaler Euro nicht zinstragend
Ja, auf liquide digitale Euroguthaben wird die EZB den Inhabern stimmigerweise keinen Habenzins zahlen. Es bleibe dahingestellt, ob das in Analogie zum Bargeld so festgelegt wurde, oder gar aus dem tieferen Grund, dass ein Kredit nicht identisch ist mit dem Geld, das durch den Kredit in Umlauf kommt. Unabhängig davon bedeutet die Nicht­verzinsung von Eurotokens in dem Maß einen Wettbewerbsvorteil für Giro­gut­haben wie die Banken auf Kontoguthaben einen Habenzins zahlen. Unter normal Bedin­gun­gen, und fortgesetzter Staatsbürgschaft für private Bankenrisiken, werden viele Kunden einen Habenzins auf Bankengeld der Sicherheit des digitalen Euro vor­ziehen.

—  Der digitale Euro muss den Schutz der finanziellen Privatsphäre gewährleisten
Ja. Entgegen verbreiteten Befürchtungen, teils wohl auch absichtlicher Desinformation, gewährleistet der digitale Euro erster Generation den Schutz der finanziellen Privat­sphäre; technisch und rechtlich auf ähnliche Weise und im gleichen Maß wie dies bisher teils mit dem Buchgeld, teils dem Bargeld der Fall ist. So weiß die EZB, wie beim Bargeld, wie viele Eurotokens in Umlauf sind, nicht jedoch, wer sie gerade besitzt und wofür benutzt. Die Betreiber von digitalen Euro Apps dagegen (Banken/ Zahlungs­dienste) müssen im Rahmen des rechtlich Gebotenen Zahlungen ggf nachvollziehen können wie bisher schon beim Buchgeld (ggf. wegen technischen Fehlern, strittigen Fragen, gesetzlich geforderter Kundenkenntnis, Geldwäsche, Schwarzgeld, anderen illegalen Geschäften).

Der digitale Euro bietet darüber hinaus Pseudonymität in Form eines Nutzer-Identi­fi­ka­tors. Dieser wird bei der Eröffnung einer digitalen Euro App (on-boarding) automatisch maschinell erstellt und bleibt im regelgemäßen Normalbetrieb geheim.[7]      

—  Digitaler Euro für die Nutzer gemäß eigenen Zwecken programmierbar, nicht jedoch von Seiten der EZB oder der Banken/ Zahlungs­dienste Nutzungs-präskriptiv.
Nein und Ja. Die EZB hat entschieden, dass der digitale Euro erster Generation in keiner Weise program­mier­bar sein wird, weder für die Endnutzer noch für Banken/ Zahl­ungs­dienste oder die EZB selbst. Mag sein, dass diese Entscheidung getroffen wurde vor dem Hintergrund möglicher Akzeptanzprobleme aufgrund der in gewissen Kreisen gras­sie­renden Paranoia, das Digitalgeld öffne einem Orwell’schen Überwachungsstaat Tür und Tor. Mag ebenso sein, dass man die Möglich­kei­ten der Programmier­bar­keit, der Verknüpfbarkeit von digitalem Geld mit smart con­tracts und eventuelle Folgen für den Geldkreislauf noch nicht in allen Einzelheiten hinreichend über­blickt und man unliebsame Überraschungen ausschließen wollte.

Möglicherweise jedoch hat man damit einen Zusatznutzen digitalen Geldes vorerst aus der Hand gegeben. Zumindest in größeren Organi­sa­tio­nen sowie im Internet der Dinge kann die Programmierung von Zahlungen nützlich und effizienz­steigernd sein. Dennoch hat es bisher nur die Bank von England in Betracht gezogen, das digitale Pfund für Endnutzer im Einvernehmen mit Zahlungs­diensten (payment interface providers) programmierbar zu gestalten.[8]  

Welches Fazit lässt sich nun ziehen bezüglich der Übereinstimmungen und Unter­schiede zwischen dem kommenden digitalen Euro und den vorgenannten Vollgeld-Designprinzipien? Es gibt nur zwei eindeutige Übereinstimmungen, die eine bezüglich der Gewährleistung des Schutzes der finanziellen Privatsphäre, die andere hinsichtlich der Unverzins­lich­keit digitaler Euro­guthaben. In allen anderen Punkten ergibt sich ein 'Nein'  oder ein 'Ja aber', wobei das weitaus größere Gewicht auf dem 'aber' liegt. Als buchstäblich maßgebliche Komponente erweist sich die stark eingeschränkte Nutz­barkeit des digitalen Euro und seine Integration in das weiterhin abge­schirmte und staatlich geschützte private Giralgeldregime der Banken.

Mit der Einführung des digitalen Euro vollzieht die EZB durchaus einen großen Schritt, jedoch in denkbar kleinster Weise. Das geldpolitische Potential eines wach­sen­den Anteils digitalen Euro am Geldangebot für eine stabile Geld-, Finanz- und Real­wirt­schaft wird nicht nur nicht ins Auge gefasst, sondern eher wohl sehenden Auges ausgeblendet.  

Die notorische Instabilität und Krisenneigung des beste­hen­den Bankengeld­regimes und das Verstricktsein der Zentralbanken darin bleiben der groteske Elephant in the Room, während die vermeintlichen Unwägbarkeiten des digitalen Euro nicht sachgerecht und  über­dimensional aufgebauscht werden (Bank­run, 'Disintermediation').

Manche mögen enttäuscht sein.[9] Nüchtern betrachtet wurde eher bestä­tigt, was zu erwarten war. Im wesentlichen haben im Design des digitalen Euro erster Generation die Interes­sen der Banken die Oberhand behalten. Die EZB begnügt sich mit dem gerade noch vertretbaren Minimum. Anscheinend sieht man sich bei der EZB wie anderen Zentralbanken weiterhin in erster Linie als 'Bank der Banken' verpflichtet. Die Zentralbanken neigen mehr denn je dazu, sich und der Öffentlichkeit weis zu machen, sie würden mit ihrer Basiszinspolitik das Geldsystem führen, wo doch alltäglich zutage tritt, dass die Banken das Geldsystem mengenpolitisch pro-aktiv an­führen und die staatlichen Zentralbanken zu einem re-aktiven Auxiliarorgan des privaten Banken­­sektors gewor­den sind. Dem eigentlich privaten Bankengeld haben sie damit auch noch einen para-staatlichen Status verliehen.

Der geldsystemische Knackpunkt digitalen Zentralbankgelds: Geldsubstitution  

Bisher wurde CBDC von den Zentralbanken vor allem damit begründet, dass infolge des bargeld­losen Zahlungsverkehrs und zuletzt vor allem infolge der Digitalisierung auch des Geldwesens das Bargeld allmählich verschwindet und man einen zeitgemäßen digitalen Bargeldersatz anbieten wolle. Geld­sys­te­misch er­scheint CBDC damit so marginal wie Bargeld es schon seit Jahr­zehnten geworden ist. Das suggeriert eine Beibehaltung des Status quo und eine quasi 'fried­liche Koexistenz' von CBDC und Bankengeld. Im Hinblick auf den minimalistischen, auf residuales Bargeld­maß ge­stutz­ten digitalen Euro erster Generation trifft das wohl auch zu. Dennoch ist es irre­führ­end. Denn als Geldart konkurriert CBDC als unbares Zahl­­ungs­mittel mit dem Banken­geld. Statt friedlicher Koexistenz verheißt die längerfristige Zukunft viel eher Konkurrenz und poli­tische Rivalität zwischen CBDC/ digi­talem Euro und Bankengeld.     

Damit wird der eigentliche Knackpunkt an der Sache deutlich: Geldsubstitution in Gestalt der längerfristigen Zurück­drängung, wenn auch nicht gleich Verdrängung von Banken­geld durch Zentralbankgeld, in Umkehrung der vorangegangenen historischen Geld­substitution, durch welche das bare Zentralbankgeld vom unbaren Bankengeld ver­drängt worden ist. Je mehr CBDC es gibt, desto geringer der Anteil des Bankengelds und seiner Funktionsprobleme, desto geringer die Instabilität und Krisenneigung des Banken­geld­regimes zum Nutzen der gesamten Finanz- und Real­wirtschaft.

Im bisherigen CBDC-Diskurs bleibt das Thema Geld­substi­tution unausgesprochen. Stattdessen ist viel über vor­ge­scho­bene Scheinprobleme eines CBDC gemutmaßt worden, vor allem Disinter­media­tion, Bankrun, zuletzt auch das Horten von CBDC/digitalen Euro. Dazu folgendes.

— Disintermediation ist ein fiktives Problem. Es bezieht sich auf die Befürchtung, Banken könnten wegen des digitalen Euro Schwierigkeiten bei der Finanzierung ihrer Geschäf­te bekommen. Anscheinend wird unterstellt, Banken seien Finanzintermediäre wie nicht-monetäre Finanzinstitute/Schattenbanken es sind, also Kreditinstitute die Geld stromauf aufnehmen, um es stromab zu verleihen oder zu inves­tieren. Das können die Banken aber nur untereinander mittels Zentralbank-Reserven, nicht aber mit dem Giralgeld (Bankengeld) ihrer Kunden; oder nur in dem einen Sonder­­fall, dass eine Bank Kunden­gut­haben von anderen Banken abwirbt, wodurch der abwerbenden Bank Zentralbank-Reserven zufließen. Ansonsten aber sind die Banken i.e.S. als monetäre Kreditinstitute nicht Intermediäre ihres eigenen Bankengelds, vielmehr stets dessen Schöpfer. Spar- und Termineinlagen bei einer Bank werden von niemandem verwendet. Sie sind temporär still gelegtes Banken­geld. Der Finanzierung der Eigengeschäfte einer Bank können diese Einlagen nicht dienen. Für ihr Eigengeschäft benötigen Banken Zentralbank-Reserven und residual Bargeld, und dies nur zu einem Bruch­teil (Fraktion) der großen Mengen des von ihnen geschaffenen Bankengelds,

Durch die Einführung des digitalen Euro werden das fraktionale Reservebanking und die Fähigkeit der Banken, im Kundengeschäft mit Nichtbanken ihr eigenes Geld zu erzeugen nicht einge­schränkt. Die jederzeitige fraktionale Refinanzierung der Banken durch die Zentralbank steht in keiner Weise in Frage. Soweit Kunden Bargeld durch digitale Euro ersetzen macht das erst einmal auch keinen Unterschied, da die Banken das Bargeld schon immer zu 100% finanzieren mussten wie künftig auch den digitalen Euro. Erst wenn der digitale Euro sich einmal über die jetzt vorgesehenen engen Beschrän­kungen hinaus verbreitet, werden die Banken all­mählich mehr digitale Euro zu finanzieren haben. Erst dann wird das heutige Finanzier­ungsprivileg der Banken sich allmählich schmälern. Ein Finanzierungsproblem im eigent­lichen Sinn aber wird es so oder so nicht geben solange die Zentralbanken die Geldnachfrage der Banken habituell akkom­mo­die­ren, handle es sich nun um Reserven, Bargeld oder CBDC/digitale Euro.      

Bankrun ist tatsächlich ein Problem; aber kein Problem des digitalen Zentralbankgelds. Vielmehr ist Bankrun das Urproblem des Bankengelds seit es existiert und nur zu einem geringen Teil in Zentralbankgeld ge­deckt ist. Die Befürchtung, die Ein­führung des digitalen Euro könne einen erdrutsch­artigen Run auf das Bank­engeld auslösen, ist nicht begründet. (Eher verrät es ungewollt die Sorge um die Krisenanfälligkeit des Bankengelds). Unter normalen Bedingungen ändert man seine Gewohn­heiten nicht so schnell. ‘Old habits die hard’, auch beim Geld und Bezahlen. Das geschieht eher im Generationenwechsel. Auch werden vom Nutzer her gesehen die Vorteile des digitalen Euro gegenüber dem Banken­­geld erst einmal nicht abrupt ins Gewicht fallen (Online­banking, elektro­ni­scher Zahlungsverkehr, Bedien­komfort, Geschwindigkeit von Zahlungen, Kostenvorteile).

Selbst die höhere Bestandsicherheit des digitalen Euro gegenüber dem Bankengeld bleibt relativ solange die EZB und die Regierungen das Bankengeld in großem Um­fang garantieren. Erst in einer Bankenkrise ist mit einer Flucht aus dem Bankengeld zu rech­nen, sei es wie bisher in Bargeld, oder künftig auch in digitalen Euro. Aber auch ein solcher Run wird dann erneut an der Instabilität des Banken­gelds liegen, nicht am digitalen Euro – durch dessen Bestandsicherheit das Geldsystem an Stabilität nur gewinnen, nicht verlieren kann. Die EZB kann das Problem entschärfen, indem sie präventiv garan­tiert, ggf benötigte digitale Euro den Banken zur Verfügung zu stellen, sei es durch Umwand­lung von vorhandenen Zentralbank-Reserven, oder durch zusätzlichen Kredit.

Horten von CBDC ist eine der zuletzt unsachgemäß vorgebrachten Befürchtungen. Horten i.e.S. ist ein Problem des Mittelalters und der frühen Neuzeit gewesen, als das Geld noch aus Kupfer-, Silber- und Goldmünzen bestand. In Zeiten des frei schöpfbaren Fiat­gelds ist die Prob­lema­­tik des Geldhortens – was Zirkulation, Handel und Produk­tion hemmt – gegenstandslos geworden. Im heuti­gen Banken­geldregime werden Spar- und Terminguthaben in immenser Größen­ord­nung 'ge­hor­tet'. Wen kümmerts. Wenn im Unterschied dazu digitale Euro einmal jenseits enger Beschrän­kun­gen um­laufen, und wird ein Teil davon in Spar- und Terminanlagen gesteckt, dann sind diese digitalen Euro nicht inaktiv 'ge­hor­tet', sondern als reale Finan­zierungsmittel angelegt, die aktiv in Umlauf bleiben. Sollten aber in einer Krise oder aus anderen Gründen die Leute ihr Geld lieber bei sich behalten als es aus­zugeben oder anzu­le­gen, dann ist das nicht speziell dem digitalen Zentral­bankgeld zuzu­­schrei­ben oder dem Bankengeld oder einer ande­ren Geldart, sondern, wie es seit Keynes heißt, der Liquiditätspräferenz der Haus­halte und Firmen. Inwiefern in diesem Fall Interventionen über­haupt legitim sind, und welche überhaupt etwas nützen, ist ein anderes Thema.

Geldsubstitution früher und heute

Mark Twain wird die Aussage zugeschrieben ‘Geschichte wiederholt sich nicht, aber oft reimt sie sich’. In der neuzeitlichen Geschichte des Geldes besteht der ‘Reim’ darin, dass eine Neu­zusam­mensetzung des Geldangebots und damit verbundene Änder­un­gen des Geld­­systems sich dann ereignen, wenn
1.  die jeweils dominante Geldart chronische Probleme bereitet, die im bestehenden nicht gelöst werden können, und
2.  eine neue Geldart aufkommt, oder latent bereits vorhanden ist, die zur Problemlösung beitragen kann und ggf weitere Vorteile mit sich bringt.

In der nachstehenden Tabelle sind die betreffenden monetären Zeitenwenden, Geldarten, Emittenten und Funktionsprobleme zusammengefasst.

Geldsubstitution. Zeitenwenden in der Zusammensetzung des Geldangebots

Die letzte Geldsubstitution erfolgte im Verlauf des 20. Jhds in der Weise, dass Buchgeld zunehmend das Bargeld verdrängt hat. Im Pub­li­kums­verkehr wurde das Bargeld in Form von Regierungsmünzen und Zentral­banknoten (in den USA auch Dollarnoten des Schatzamts) margi­nalisiert durch das bargeld­lose Bezahlen mit Bankengeld. Zahlungs­technisch kann Bargeld in der Kon­kur­renz mit Buch­geld nicht bestehen. Dadurch ist das Bankenbuchgeld eindeutig und einseitig zum system­­be­stimmenden dominanten Geld geworden. Im Interbanken­ver­kehr fand das seine Entsprechung darin, dass Bargeld unter den Banken überhaupt nicht mehr verwendet wurde, abgesehen von Transporten zur Deckung der Kunden­nach­frage.

Der Interbankenverkehr vollzog sich schon immer überwiegend durch Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten der Banken untereinander. An Stelle dessen trat im Verlauf des 20. Jhds die Interbanken-Überweisung von Zentral­bank-Reserven, zuletzt mittels der RTGS-Zahlungssysteme der Zentralbanken (Real-Time Gross Settle­ment). Zusammen mit dem massiven Konzen­tra­tions­prozess im Banken­sektor führte dies dazu, dass die Menge an benötigten Zentral­bank-Reserven relativ immer kleiner geworden ist im Verhältnis zu den vielfach größeren Mengen an Banken­geld. (Ausnahme: große Überhänge an Reser­ven infolge der Geldpolitik quan­ti­ta­tiver Lockerung ab der Bankenkrise von 2008).     

Die Substitution von Bargeld durch Bankengeld ist inzwischen zu 90–97% erfolgt und hat damit ihren Höhe­punkt wohl erreicht. Substituierbares Bar­geld ist in syste­misch relevanter Menge nicht mehr vorhanden. Die Funk­tions­probleme des Bankengeld­regimes – die monetärer, nicht tech­ni­scher Art sind – lassen sich im Rahmen dieses Systems nicht lösen und haben sich daher weiter verfestigt. Zugleich hat eine neue Art von Geld, tokenisiertes Digitalgeld, begonnen an die Stelle des hergebrachten Buch­gelds zu treten.     

In ge­wissem Sinn kann man darin eine Analogie zum 18. und beginnenden 19. Jhd sehen, als das allzu viele unge­re­gel­te Papier­geld zu vieler privater und fürstlicher Emit­ten­ten über­wunden wurde durch das Noten­mono­pol der nationalen Zentral­banken. Im Rahmen solcher historischer Dimensionen besteht heute eine ver­gleich­bare Not­wen­dig­keit und zugleich reelle Chance, das inhärent instabile Banken­geld ein­schließ­lich der neuen Geldsurrogate dritter Stufe sowie nicht zuletzt auch die Ausbreit­ung privater Krypto­währungen zu substituieren durch digitales Zentral­bankgeld. Die geplanten Nutzungs-Beschrän­kun­gen des CBDC/digitalen Euro dienen der künstlichen Verhinderung eines solchen Strukturwandels. Jenseits dieser Art von struktur­konservativem Protektionismus wird sich das Bankengeld der Konkurrenz des Zentralbank­gelds/digi­talen Euros stellen müssen.

Im Rahmen solcher historischer Dimensionen besteht heute eine vergleichbare Not­wen­dig­keit und zugleich reelle Chance, das stets krisenträchtige Bankengeldregime, die neuen Geldsurrogate dritter Stufe sowie nicht zuletzt auch die Ausbreitung privater Krypto­währungen zu substituieren durch digitales Zentralbankgeld (CBDC), sowohl im Publikums- wie auch im Interbankenkreislauf. Die Nutzungs-Beschränkungen des CBDC/digitalen Euro dienen, wie oben erläutert, der Abschirmung und künstlichen Erhaltung des privaten Banken­geldregimes. Jenseits dessen, mit einer zunehmenden Ausbreitung von CBDC/digitalen Euro, muss sich das Bankengeld der Konkurrenz des digitalen Zentralbankgelds stellen.

In puncto Effizienz und damit Kosten scheint Bankengeld nach heutigen Gegeben­heiten nicht hinreichend aufgestellt, den Wettbewerb mit CBDC /digitalen Euro zu beste­hen . Siehe die obige Tabelle. Ein anderer Wett­bewerbs­vor­teil von CBDC ist geld­poli­tischer und ökonomischer Art und besteht in der Be­stand­­sicherheit digitalen Zentral­bankgelds. Hinter Zentralbankgeld steht die Garan­tie­macht des Staates, neben der selbst große Finanz­korporationen normalerweise klein dastehen. Überhaupt wäre das Ban­ken­geld längst verschwunden, hätten nicht Zentralbanken und Regierun­gen von einer Krise zur nächsten es immer wieder mit massiven Interventionen gerettet. Zentral­banken und Regierungen als Garantiegeber letzter Instanz für das private Bankengeld sind gewiss kein Beispiel für produktive öffentlich-private Partnerschaft, vielmehr ein Unding  ange­sichts des Sachverhalts, dass die staatliche Währungs- und Geld­hoheit eine Prä­ro­gative von Verfassungsrang darstellt.

Die Interessenlage des Publikums und der Politik. Der Spezialfall USA

Es trägt zum Verständnis der aktuellen Sachlage bei, die Interessen der Akteursgruppen näher zu betrach­ten. Das betrifft das Geld be­nutz­ende Publikum, die Politik, Banken und Schatten­banken, nicht zuletzt die Zentralbanken.

Dem Gros des Publikums liegt der kommende digitale Euro vorerst noch ziemlich fern. In den Nationen, die CBDC bereits eingeführt haben, verläuft die  Verbreitung schleppend. Der große Renner ist CBDC noch nicht. Wie Umfragen zeigen, will das zögernde Publikum erst einmal die Sicherheit des digitalen Geldes und den Schutz der finanziellen Privatsphäre gewährleistet wissen (eigentümlicherweise ungeachtet der möglichen Überwachbarkeit des individuellen Geldbesitzes und Zahlungs­ver­kehrs im heutigen Buchgeldsystem mit Bankkonten).

Zugleich gibt es eine wachsende Gruppe von Personen über­wiegend jungen und mitt­le­ren Alters mit ausgeprägter IT-Affinität. Sie benutzen teilweise schon eine mobile Bezahl-App eines Finanzdienstes, womöglich mittels einer digitalen Arm­band­uhr, und haben vielleicht auch schon mit Kryptowährungen gehandelt. Diese Gruppen werden kaum lange zögern, das neue Zentralbankgeld per Festnetz und Mobilfunk zu verwenden (es sei denn es handelt sich um libertäre Ultras, die im Privatgeld kontrafaktisch das Heil erblicken und in staat­lichen Zentralbanken den Leibhaftigen).

Was die Politik angeht, so steht man dem digitalen Zentral­bank­geld eher positiv gegenüber. Technologisch möchte man zu den Fortge­schrit­tenen ge­hören, und das beinhaltet heute Digitalisierung, einschließlich der Digitalisierung des Geld- und Finanzwesens. Strittig mögen manche Einzelheiten sein.

Eine Polarisierung pro und kontra CBDC hat sich bisher nur in der US-ameri­ka­ni­schen Politik abgezeichnet, entlang den aktuellen Dissenslinien zwischen Republikanern und Demo­kra­ten. Viele Republikaner, auch einige Demo­kra­ten, befürchten, die Ver­brei­tung von Digi­tal­geld könne das ame­ri­kanische Banken- und Finanzsystem schwächen und die inter­nationale Hegemonie des US Dollars (USD) bedrohen. Das USD-basierte Banken- und Finanzsystem dominiert die internationalen Zahlungs- und Kapital­ströme in erheblichem Maß und dient nicht zuletzt auch der US Außenpolitik als Sanktions­instrument. Die Befürchtungen beziehen sich auf private Kryp­towährungen ebenso wie auf einen digitalen Dollar der US Federal Reserve.

Freilich ergeben derlei Befürchtungen in diesem Fall keinen "Reim". Anscheinend möch­ten be­tref­­fen­de Politiker die amerikanischen Banken gegen private Digital­währ­ungen und gegen digitales Zentralbankgeld abschotten, um so vermeintlich auch die internationale Stellung des USD zu sichern. Eine solche Abschottungspolitik verkennt jedoch, dass die Dollar-Hegemonie nicht auf der nationalen Währungs­einheit als solcher beruht, und nicht allein auf der politisch-ökonomischen und militäri­schen Vor­­macht der Vereinigten Staaten. Die USD Hegemonie beruht ebenso auf der Geldart, in der USD denominiert sind. Mit baren Dollarnoten alleine, ohne das hoch ent­wickelte IT-Buch­­geld­system der Dollar-Finanzwelt, gäbe es keine USD Hegemonie.

Gemäß dieser Sachlogik würde es ohne einen digitalen Dollar künftig keine USD Hege­mo­nie und kein global führendes US Finanzwesen mehr geben. Mit ihrer Opposition gegen einen digi­talen Dollar sind die betreffenden konservativen Politiker im Begriff, ein großes Eigen­tor zu schießen. Auf Dauer würden sie damit die bisherige monetäre und finan­zielle Führung der USA aus der Hand geben. Ob eine oder mehrere andere Währungen an die Stelle treten würden, und welche das wären, bleibt vorerst offen.

Die Interessenlage der Banken

Um 2014, zu Beginn der Diskussion um CBDC, schienen die Banken von der Sache noch nicht beunruhigt. Staatliche Münzen und Zentral­banknoten waren immer schon Teil des Bankengeschäfts, und das 'digitale Bargeld' würde wohl so etwas ähnliches sein. Erst gegen 2020 scheint man realisiert zu haben, dass 'digitales Bargeld' eine Veranschaulichung ist, hinter der etwas viel weitergehendes steckt als das in praxi nur begrenzt nützliche herkömmliche Bargeld. Man erkannte, dass CBDC dem Bankengeld potenziell starke Kon­kur­renz machen kann. Langfristig gesehen kann sich die Einführung von CBDC/digitalen Euro als Anfang vom Ende der Dominanz des Banken­gelds erweisen. Dies gilt umso mehr, wenn die staatlichen Bestandsgarantien für das Bankengeld graduell abgebaut werden (Liquiditätsgarantie der Zentralbank als lender of last resort für die Banken, die Regier­un­gen als Bankengeld-Bürge und Banken-Rekapitalisierer letzter Instanz). 

Selbst wenn das Bankengeld momentan noch davor abgeschirmt wird, mit CBDC/digi­ta­len Euro konkurrieren zu müssen, dürfte die Adoption des digitalen Euro mit der Zeit voranschreiten. Das öffentliche Interesse am digitalen Euro von Seiten der Zentral­ban­ken, Regierungen, Nichtbanken-Finanzinstitute und anderen Nutzern kommt auf Kol­li­sionskurs mit den privaten Interessen am Bankengeld und anderen privaten Geld­sur­rogaten.

Im Gewahrwerden des schwachen Standes des Bankengelds in einer echten Kon­kur­renz mit CBDC, hat man im Bankenmilieu seit einigen Jahren begonnen, CBDC schlecht zu reden, auch unter Mithilfe Banken-freundlicher Denk­fabriken und Politiker, Status-quo-verhafteter Experten und Journalisten. Die Hauptlinie der Argu­men­­ta­tion lautet, CBDC sei "eine Lösung auf der Suche nach einem Problem". An digitalen Euro bestehe kein Bedarf, da Bankengeld den Kunden bestens alles biete was gebraucht wird – eine Lehrbuch-klassische Argumentation von Platzhaltern gegen bahnbrechende Innovationen.

Wie zum Beweis haben die Banken sich zuletzt beeilt, P2P-Sofort­zahlung in Banken­geld anzubieten, obschon zu einem erhöhten Preis. Im Euroraum heißt das Angebot SEPA Inst (Single Euro Payment Area Instant Payment Service), in den USA FedNow. Das beinhaltet aber immer noch fraktionales Reser­ve­banking mit dem Bankengeld als inhärent instabilen Bank­ver­bind­lich­keiten, nicht aber P2P-Sofortzahlung mit bestand­sicheren digitalen Euro im Voll­besitz der Nutzer. Auch bieten Banken inzwischen wieder Haben­zinsen für Konto­­gut­haben, während digitale Euro nach jetzigem Stand unverzinslich sein werden. Im Gegen­zug  soll nach jetziger Planung der Gebrauch digitaler Euro für ‘grundlegende’ Zwecke die Nutzer nichts kosten.[10] Wie das definiert und gegen andere Zwecke abgegrenzt wird, ist noch offen gelassen.  

Die Argumentation, das Publikum in Ländern mit einem hoch entwickelten Bank­wesen sei mit dem Bankengeld bestens bedient und brauche kein CBDC, bezieht sich auf den unmittelbaren Kundennutzen, d.h. Aspekte wie einfache bequeme Handhabung des Geldes, sichere und schnelle Bezahlung bei Schutz der finanziellen Privatsphäre, und natürlich die Kosten der Geldhaltung und Zahlungsdienste. Nach heu­ti­gem Stand ist der digitale Euro dem Bankengeld in jedem dieser Punkte ein Stück weit überlegen. Aber die Banken können in puncto Bedienkomfort, Sicherheit und Schnel­lig­­keit durch fortentwickelte Technologie und Betriebsprozesse sicherlich noch auf­holen. Ob sie auch Gleichstand im Kostenwettbewerb erreichen, sei dahingestellt.

Wie auch immer die Sache prognostiziert wird, unterschlagen bleibt dabei, dass die Kunden weiterhin mit krisenträchtigem bestandun­sicher­em Bankengeld Vor­lieb nehmen müssen, Geld, das in die Konkursmasse einer Bank fällt sofern Zentral­bank und Regierung sie nicht retten, anstatt zu sicherem Zen­tral­bankgeld Zugang zu erlangen (zu Basisgeld, Vollgeld), das nicht in die Banken­konkurs­masse fällt und im Besitz der Nutzer fortbesteht, egal in welche Probleme Banken, Kapital- und Finanzmärkte ver­strickt sein mögen.

Der Kundennutzen von Bankenbuchgeld versus digitalem Zentralbankgeld ist nicht der alleinige und vor allem nicht der systemisch entscheidende Grund für digitales Zentral­bankgeld. Vielmehr liegt der noch bedeutendere Sinn und Zweck der Sache in der Wiedererlangung geldsystemischer Kontrolle durch wirksame Geldmengen- und Basiszinspolitik der Zentralbanken für ein stabiles Geldfundament der Finanz- und Gesamtwirtschaft.

Die Fixierung auf den Kundennutzen ist eine gezielte Ablenkung von den tatsächlichen Problemen und Fehlfunktionen des Bankengeldregimes:
- die inhärente Instabilität und Krisenanfälligkeit des nur zum Bruchteil gedeckten Bankengelds und des Bankensektors,
- seine wiederkehrenden Liquiditäts- und Run-Probleme
- der wiederkehrende skandalöse Sachzwang für Zentralbanken und Regierung, systemisch rele­vante Großbanken retten zu müssen, um das Bankengeld aller zu retten, da dieses sich als Bankverbindlichkeit sozusagen in Geiselhaft der Bankbilanzen befindet,
- der Allokations-Bias der Bankengeldschöpfung zugunsten von Nicht-BIP-Finanzen, zuungunsten von realwirtschaftlichen Finanzierungen,
- der faktische Akkommodationszwang der Zentralbanken, der Refinanzierungs­nachfrage der Banken jederzeit nachkommen zu müssen, und die schwache Effektivität der Geldpolitik im bestehenden Bankengeldregime.

Es wird oft übersehen, dass auch viele nicht-monetäre Finanz­institute wie Geld- und Kapitalmarktfonds, Private Equity Investoren, Bauspar­kas­sen, Ver­siche­rungen u.a. den Funk­tions­prob­lemen des Bankengeldregimes ausgesetzt sind. Anders als die Banken haben die nicht-monetären Finanzinstitute ein Inte­resse an digitalen Euro. Sie können selbst kein Buchgeld schöpfen und sind wie andere Nichtbanken auf die Benutzung von Banken­geld und auf Kredit in Bankengeld ange­wiesen. Deshalb hat zum Beispiel die Ver­siche­rungs­­gesell­schaft Talanx in der Banken­krise nach 2008 versucht, gerichtlich ein Reserven-Transaktionskonto bei der EZB/Bundes­bank zu erwirken. Erfolglos. Die Interes­senlage besteht freilich fort. Das Giral­geld­privileg der Banken ist für die nicht-monetären Finanz­­institute ein sich faktisch ergebender aber ungerecht­fer­tigter Wett­bewerbsnachteil. Sie haben von daher ein erheb­lich­es Interesse an der Nutzung von digitalen Euro, und das in großem Umfang.

Die ambivalente Interessenlage der Zentralbanken: das Kernproblem der ganzen Geschichte

Die EZB stellt die Einführung des digitalen Euro momentan für 2026–28 in Aussicht. In Anbetracht des inzwischen jahrelangen Entwicklungsprozesses und wiederkehrend wider­sprüchlicher Mitteilungen verschiedenster Zentralbanken gewinnt man den Eindruck, die Zentral­banken hätten es mit dem digitalen Zentralbankgeld nicht gerade eilig. Bei der Schwedischen Reichsbank und der Bank von England setzte man die Entwicklung einer CBDC schon 2016 in Gang, mit dem Ziel, diese zwei drei Jahre später zu lancieren. Trotz gewisser konzeptioneller Fortschritte und Feldversuche ist das aber bis heute nicht geschehen.   

Die Zögerlichkeit und das Stop-and-Go der Zentralbanken in Sachen CBDC/digitaler Euro mag ein Stück weit an der vielleicht unterschätzten techno­lo­gischen und betriebs­praktischen Kom­plexität der Sache liegen. Weit mehr aber dürften hier interne Meinungs­verschiedenheiten eine Rolle spielen. Denn die Zentralbanken sind hier in einem Rollenkonflikt gefangen, deutlicher gesagt, sie selbst bilden das Zentrum des Interessenkonflikts pro und kontra CBDC. Die internen Meinungsverschiedenheiten bestehen, trivial zu sagen, zwischen den progressiven Protagonisten von CBDC und den konservativen Verteidigern des Status quo.

Die progressiven Protagonisten von CBDC sehen das Erfordernis, digitale Geld- und Zahlungstechnologien einzuführen, um nicht durch internationale private Ent­wick­lungen auf diesem Gebiet abgehängt zu werden. Zum anderen sieht man die Not­wen­dig­keit eines gewissen Systemwandels, um eine wirksamere Geldpolitik zu ermög­lichen und die monetäre Kontrolle (über das Geld, nicht Kredit und Finanzen) und die Rolle der nationalen Zentralbanken als 'Währungshüter' zu stärken. Solche Ziele können durch Basiszinspolitik alleine im Rahmen eines vollständig vom Ban­ken­geld pro-aktiv bestimmten Geldangebots unmöglich erreicht werden. Statt­des­sen bedarf es der Kontrolle über eine hinreichend große, letztlich dominante Zen­tral­bank-Geld­menge im allgemeinen Umlauf, heute in Form von CBDC/digitalen Euro.

Zu den CBDC-Protagonisten in Europa zählten anfänglich die Zentralbanken von Schwe­den und England, inzwischen die EZB, in Asien China und Indien, weltweit von Beginn an auch die Zentral­bank-gemeinsame Basel Bank für Internationalen Zahlungs­aus­gleich sowie der Internationale Währungsfonds.

Demgegenüber sehen konservative Verteidiger des Status quo die Rolle der Zen­tral­banken darin, als 'Bank der Banken' in dem Sinn tätig zu sein, das private Banken­geld­regime aufrecht zu erhalten, indem sie sich als staatliche Auxiliarorgane und Garantie­geber des Bankensektors betätigen. Auch wenn sie sich der Digitalisierung des Geld- und Finanzwesens im Prinzip nicht verschließen, so sind sie geldtheoretisch und geld­politisch doch zögerlich und verzögern die Entwicklung von CBDC. Die konservativen Zentralbanker sehen sich dem Bankengeldregime verpflichtet, in welchem ihres Erachtens immer noch die Zentral­banken die Systemführerschaft innehätten, und verstehen sich so als Gewährs­leute des Bankengelds. Auch wenn sie CBDC nicht ganz verhindern können, so erwirken sie doch eine restriktive, minimalisierte Auslegung des CBDC/digitalen Euro, die dem Bankengeldregime unterordnend integriert ist. Das bestehende System wird so gegen einen echten Strukturwandel vorerst weitgehend abgeschottet.

In der Uneinigkeit zwischen monetär progressiven und konservativen Zentralbankern kommt die ambivalente Rolle der Zentralbanken zum Ausdruck. Eigentlich sollen die Zentralbanken die nationalen 'Währungshüter' sein. Das schließt mit ein, die gesetz­lichen Zahlungsmittel in hinreichender Menge herauszugeben und das Geldangebot insgesamt unter Kontrolle zu haben, um für Währungs- und Geldwertstabilität sorgen zu können, soweit die Inflationsrate und der Außenwert der Währung sich auf Geld­men­gen und Zentralbank-Basiszinsen zurückführen lassen. Mit der Zeit jedoch haben sich die Zentralbanken in die Rolle einer staat­lichen Unter­stütz­ungsagentur für den privaten Bankensektor hinein manövriert, jederzeit den Tatsachen nachkommend welche die Banken pro-aktiv schaffen. Diese Rolle wird den Zentralbanken inzwischen sogar wie selbst­ver­ständlich in Lehrbüchern zugeschrieben.  

Nun jedoch, als Herausgeber von CBDC, der modernsten Form von Geld, treten die Zentralbanken historisch in eine neuerliche Geldkonkurrenz zu den Banken als Geld­schöpfern. Ob gewollt oder nicht, faktisch wird mit der Einführung von CBDC die heutige, monetär privilegierte Posi­tion des Bankensektors in Frage gestellt, damit auch der para-staatliche Status, den Zentral­banken und Regierungen dem Bankengeld heute faktisch zugestehen.

Ein Sprichwort sagt Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Soll heißen, man kann nicht das eine und das andre zugleich haben. Im Hinblick auf die wider­sprüch­lichen Intentionen in den Zentralbanken heißt das, es ist ihnen nicht möglich, CBDC/ digitale Euro einzuführen, ohne dass dies Auswirkungen hätte auf das Banken­geld­regime und die jetzige Rolle der Zentralbanken darin. Mit der Zeit wird digitales Zentral­bankgeld unweigerlich zu einer mehr oder weniger weit gehenden Substitution von Bankengeld führen. Denn die Zentral­ban­ken müssen CBDC/digitale Euro einführen, um ihrer primären Rolle als Währungs­hüter wieder besser gerecht zu werden, insbe­son­dere als Her­ausgeber gesetzlicher Zahlungsmittel. Denn dies – eine dominante Menge an Zen­tral­bankgeld im Publikumsumlauf – ist die tatsächliche Basis für geld­poli­tische Trans­mission und Wirksamkeit.


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Referenzen

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Endnoten

[1] Atlantic Council CBDC Tracker, März 2024.

[2] Europäische Kommission 2023, European Commission 2023b, European Central Bank 2023, 2024.

[3] Huber 2017, Kumhof et al. 2020, Karwat 2021, Omarova 2021, Desan 2022.  

[4] Das gilt sinngemäß auch für herkömmliche pre-paid cards oder Geldwertkarten. Gespei­ch­ert ist auf diesen nicht ein betreffender Geldbetrag, sondern nur relevante Informationen über ein Kon­to­gut­haben (quasi wie interaktiver Kontoauszug). Das betreffende Guthaben befindet sich realiter anders­wo, normalerweise in einem gesonderten Karten-Sammelkonto einer Bank.

[5] Vgl. Kumhof/Noone 2018, Kumhof et al 2020, Hess/ Sonnenberg 2020, Huber 2022 129–157, Positive Money Europe/Veblen Institute 2023/24 ch. 2.

[6] Hinzu gekommen ist inzwischen das sog. Bail-in von Bankkunden, das heißt, die Zwangsumwandlung von Kundenguthaben in Eigenkapital der Banken, temporär wenn es gut geht, verloren wenn nicht.

[7] Zur Frage der finanziellen Privatsphäre im Zusammenhang mit CBDC/dem Digitalen Euro vgl. mein gesondertes Papier (Huber 2024).

[8] Bank of England 2023, pp. 32, 45, 53.

[9] So zum Beispiel Monnet/Niepelt 2023, Mayer 2023, Felber 2023, Positive Money Europe/Veblen Institute 2023/24 ch. 1. 

[10]  European Commission 2023, Art. 41–46.