Dominantes Geld - Teil II
Der Aufstieg des digitalen Vollgelds der Zentralbanken (DV/CBDC)

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Der bevorstehende Tidenwechsel in der Zusammensetzung des Geldangebots.
Das Zeitalter des Digitalgelds


In technischer Hinsicht steht bereits fest, dass sich in der neuen Ära die endgültige  Digitalisierung des Geldes vollzieht. Digitales Geld sind übertragbare Währungs­einheiten in Form binärer Zahlen (digits), die elektronisch verarbeitet werden. Bis vor wenigen Jahren wurde 'digital' nur im Zusammenhang mit den neu auftretenden Krypto­währungen verwendet. Inzwischen bezieht sich der Ausdruck auch auf herkömmliches Kontogeld sowie zusätzlich auf Mobilgeld, zunächst ungeachtet der technischen Unterschiede zwischen ihnen.

Heute hat Geld in digitaler Form, Digitalgeld, das herkömmliche Buchgeld schon weit­gehend ersetzt (Buchgeld im Sinn hand- oder maschinenschriftlicher Einträge in papierne Bücher). Banken operieren längst mit umfassenden IT-Infra­struk­tu­ren, ja regelrecht als solche. Die Digitalisierung wird über kurz oder lang auch dem stofflichen Bargeld ein Ende bereiten, nicht unbedingt überall schon in den nächsten zwanzig Jahren, aber früher oder später wird das Bargeld verschwunden sein, bzw man wird seinen Gebrauch per Erlass beenden, wenn die Aufrechterhaltung der benötigten Infra­struktur für immer weniger Transaktionen unwirtschaftlich wird.

Viele Anbieter von Mobilgeld und Kryptowährungen werben mit dem Ver­spre­chen, schneller und billiger zu sein als Transaktionen im bestehenden Banken­system. Anderer­seits, was die Schnelligkeit der Zahlungen angeht, haben  Banken und Bezahl­dienste Neuentwicklungen nicht verschlafen. Echtzeit-Überweisungen in einem Land sind inzwischen möglich, einschließlich des TIPS-Systems für Zahlungen in und zwischen Euro­ländern. Das dürfte es in nicht allzu ferner Zukunft auch für andere internationale Zahl­ungen geben. Ripple und andere Kryptowährungen, die gegen­wärtig als ein Vehikel für internationale Zahlungen benutzt werden, würden dann ihren diesbezüglichen Wett­be­werbsvorteil verlieren.

Die angekündigte Stablecoin Libra verspricht 1.000 Transaktionen pro Sekunde (tps) abarbeiten zu können. Solche Angaben streuen allerdings beträchtlich. Von Bitcoin werden tatsächliche 4–7 tps, theoretisch bis zu 277 tps berichtet. Neue Blockchain-Netzwerke beanspruchen, eine deutlich höhere Leistung zu ermöglichen. Der Bezahl­dienst PayPal bringt es im Durchschnitt auf 190–200 tps. Visa und Mastercard schaffen mit 1.700–2.000 tps noch viel mehr. China's künftige zentralisierte Digital­währung will 220,000 tps realisieren.[1] Die Transfergeschwindigkeit ist unmittelbar von monetärer Bedeutung, denn ein schnellerer Geldumlauf hat die gleiche Wirkung wie eine Geld­men­gen-Ausweitung bei gleichbleibender Gebrauchshäufigkeit des Geldes.

Zur Kehrseite des Digitalgelds gehören Sorgen über die technische Sicherheit bzw den Datenschutz. Die IT-Infrastruktur von Banken sowie die Handelsplattformen für Krypto­währungen sind nicht immun gegen Hackerangriffe. Große Geldmengen in verschie­denster Währung im Wert vieler Milliarden Dollar sind auf diese Weise schon abhan­den gekommen. In Reaktion werden immer mehr und umständ­lichere Sicherungs­vorkehrungen getroffen, die einem die versprochene Leichtigkeit und Bequem­lichkeit des Onlinebanking und sonstigen digitalen Bezahlens ziemlich verderben können.

Ein innovatives Potenzial der Blockchaintechnik besteht darin, digitale Zahlungs­vor­gänge bzw die digitale Identität von Zahlern mit smart contracts verlinken zu können. Smarte Verträge können auf auto­matische Zahlungsausführung programmiert werden, indem man die Bedingungen fest­legt, unter denen bestimmte Zahlungen erfolgen können oder müssen oder nicht dürfen.[2]

Der Aufstieg des digitalen Zentralbankgelds (CBDC)

Eine Voraussetzung für die Wiedererlangung monetärer Kontrolle durch die Zentral­banken liegt in der Wiederausdehnung der aktiven Geldbasis durch die Einführung von central-bank issued digital currency (CBDC), auf Deutsch digitales Zentral­bank­geld, oder kurz: digitalem Vollgeld.[3] Das traditionale und allmählich außer Gebrauch kommende Bargeld braucht ein modernes Nachfolgegeld. Der offen­sichtliche Kandi­dat dafür ist digi­tales Voll­geld (DV) im allgemei­nen Publikums­gebrauch, als universelles Zahlungsmittel, herausgegeben von der betref­fenden Geldbehörde, in den meisten Fällen der Zentralbank eines Währungs­­raums. Das DV bringt voraus­sicht­lich den erfor­der­­lichen Tidenwechsel in der Zusammen­setzung des Geldangebots mit sich.

Pioniere auf dem Gebiet des digitalen Zentralbankgelds – darunter die Bank von England, die schwedi­sche Reichsbank und die Basel Bank für Inter­na­tio­nalen Zahlungs­ausgleich – begannen mit konzeptionellen Arbeiten um 2014/15.[4] Laut einer Umfrage von 2019 unter 63 nationalen Zentralbanken, die DV exploriert und teils auch schon getes­tet haben, erwartet eine deutliche Mehrheit Vorteile in Form einer effizienteren Abwick­lung inländischer und internationaler Zahlungen, gefolgt von einer effektiveren Geldpolitik sowie verbesserter Finanzstabilität.[5] Eine andere Umfrage ergab, dass mehr als zwei Drittel der befragten Zentralbanker annehmen, DV werde das Vertrauen in das Geldsystem und die Geldpolitik der Zentral­banken stärken.[6]

Das ist nicht aus der Luft gegriffen. Die ausgeweitete Geldbasis verlängert den Mengen­­­hebel der Geldpolitik und erhöht damit die Kontrolle über die Geldschöpfung und die laufende Readjustierung des Geldbestands. Je mehr DV umläuft, desto mehr monetäre Kontrolle erlangen die Zentralbanken. Dies kann gegenwärtig von keiner anderen monetären Perspektive gesagt werden.

Ein weiterer Vorteil von DV liegt einfach darin, dass es sich um Vollgeld handelt, um Basisgeld der Zentralbank, nicht ein davon abgeleitetes Geldsurrogat zweiter oder dritter Stufe. Vollgeld ist bestandsicheres Geld, wie Bargeld in dessen Besitz man sich befindet. In einer Krise braucht DV nicht gerettet zu werden. Der Wechsel­kurs und die Kaufkraft von DV kann verbunden mit dem Versprechen, das E-Geld auf Verlangen zu rekonvertieren sicherlich auf- oder abwerten, aber es kann nicht als Zahlungs­mittel verschwinden wie das Bankengeld in der Bilanz einer insolvenzbedrohten Bank. Da DV direkt vom Zahler zum Bezahlten übertragen wird (P2P), gibt es auch kein Gegen­partei-Risiko. Die Verwal­tungs­kosten von DV dürften niedriger liegen als die im doppelten Kreis­lauf von Reserven und Bankengeld. Die Finanzierungskosten ent­sprechen denen des Bargelds. Nicht zuletzt generiert eine wieder ausgeweitete Geldbasis eine höhere Seigniorage zugunsten der Staatskasse, alternativ ggf der privaten Haus­halte (Bürger­dividende).

DV in Nachfolge des stofflichen Bargelds sowie die allmähliche Ausweitung des DV gegenüber dem Bankengeld lassen sich mit den Papiergeldreformen des 19. Jhds vergleichen. Damals traten nationale Zentralbanknoten als gesetzliche Zahlungsmittel an die Stelle privater und regionaler Banknoten. Heute bedeutet die Einführung von DV, dass dieses mit der Zeit an die Stelle von Bankengeld tritt. Zugleich bedeutet DV die Fortsetzung des gesetzlichen Monopols auf Münzen, Geldscheine und Reserven in Form eines umfassenderen Monopols auf digitales Zentralbankgeld als gesetzlichem Zahlungsmittel in Landes­währung in jeder technischen Form. Das Vorhandensein privater Geldarten, die wohldefinierten Bestimmungen genügen, wird damit nicht ausgeschlossen.  

Eine umfassende Ablösung des Bankengelds durch Zentralbankgeld könnte im Prinzip auch in einem vergleichsweise einfachen Übergangsprozess stattfinden, der an einem bestimmten Stichtag Bankengeld auf Zentralbankgeld (Vollgeld) umstellt und die bisherigen Forderungen und Verbindlichkeiten aus Bankengeld in einem mehrjährigen Prozess ausschleust, abhängig von der Endfälligkeit ausstehender Bankkredite an Nichtbanken.[7] In 2012 brachte der damalige US Kongressabgeordnete Kucinich einen entsprechenden Gesetz­entwurf ein (den NEED Act, ausgearbeitet vom American Monetary Institute) und im Juni 2018 wurde in der Schweiz per Volksentscheid darüber abgestimmt, ob das Bank­noten­monopol der Schweizerischen Nationalbank  auf elektro­nisches bzw digitales Geld ausgedehnt werden soll. Beide Initiativen wurden nur von einer respektablen Minderheit unterstützt.[8] Vor allem durch die internatio­nalen Diskus­sionen im Vorfeld der schweizer Volksinitiative ist deutlich geworden, dass etablierte Interessen sowie para­dig­matische Fixierungen einen solchen 'großen' Schritt in absehbarer Zeit nicht erlauben.   

Was es stattdessen aber auf die Agenda geschafft hat, ist das 'kleinere' Vorhaben, modernes DV als Ersatz für das traditionale Bargeld einzuführen, zusätzlich zum weiterbestehenden Banken­geld und den neuen Geldarten dritter Ebene. Der end­gültige 'Weckruf' für DV, wie B. Coeuré, Mitglied im Exekutivrat der EZB, es nannte, war im Sommer 2019 das Facebook-initiierte Libra Projekt sowie die Ankündi­gung der chinesischen Zentralbank, in näherer Zukunft Digitalgeld für den allgemeinen Publikums­­gebrauch einzuführen. 

Sieben Optionen zur Einführung von CBDC/DV

Gegenwärtig lassen sich sieben mögliche Ansätze unterscheiden, um DV einzuführen, also sieben Formen von DV:
- Direkter Zugang zu einem Zentralbankkonto
- Indirekter Zugang durch treuhänderisch geführte Zentralbankkonten
- DV als Mobilgeld
- von der Zentralbank herausgegebenes Kryptogeld
- Synthetisches DV als 1:1 Stablecoin
- Indirektes DV als1:1 E-Geld von E-Geld-Instituten
- Indirektes DV als 100% Reserven-gedecktes Bankengeld.

Diese Kategorien ergeben sich daraus, (1) ob es sich um Kontogeld, Mobilgeld oder Krypto­geld der Zentralbank handelt,  (2) ob der Zugang zu DV direkt oder indirekt erfolgt, und (3) wenn indirekt, ob der betreffende Bezahldienst als Treuhänder des Zentralbankgelds handelt oder als Geldintermediär, der einbezahltes Bargeld und erhaltene Reserven 1:1  in sein eigenes Geld wechselt.[9]

Direkter Zugang zu einem Zentralbankkonto
Zentralbankkonten für eine Kundschaft reicher Familien und großer Unternehmen waren bis in die 1940–60er Jahre keine Seltenheit, wurden seither aber abgeschafft. Demgegenüber bestehen weiterhin Zentralbank-Transaktionskonten für bestimmte Staatsorgane und öffentliche Körperschafen. Seit der Krise 2007/08 wird nun immer wieder einmal das 'Zentralbankkonto für alle' gefordert, und von betreffenden Zentralbanken immer wieder zurückgewiesen.[10] Würde man per Gesetz solche Konten dennoch einführen, würde es sich um reine Transaktionskonten für Nicht­banken handeln. Bankkonten dienen dagegen sowohl laufenden Transaktionen als auch der Refinanzierung bei der Zentralbank.

Ein Zentralbankkonto für alle würde einen entsprechenden Ausbau des Zahlungs­systems erfordern. Eine Alternative dazu wäre der Aufbau eines gesonderten DV-Zahlungs­systems für Nichtbanken. Es ist unklar, ob der Hinweis auf die damit ver­bundenen hohen Kosten ein ernst zu nehmendes Argument oder nur eine Ausrede ist, um das Ansinnen abzuwehren. Bei der schwedischen Reichsbank hat man den Aufbau eines zusätzlichen Zahlungssystems für die geplante E-Krona durchaus vorgesehen. Es könnte freilich passieren, dass das Zentralbank-Kontogeld für alle bald abgelöst, oder von vornherein übersprungen werden könnte durch Mobilgeld oder auch Kryptogeld der Zentralbank.

Indirekter Zugang durch treuhänderisch geführte Zentralbankkonten
DV auf einem Zentralbankkonto kann auch von einem Treuhänder – einem Bezahl­dienst oder einer Bank – im Auftrag von Kunden geführt werden. Die Kunden selbst würden keinen Zugang erhalten, aber die Treuhänder. Sie würden Zentralbank-Sammel­konten für die Transaktionen ihrer Kunden führen. Die Treuhänder können dazu weiterhin die bestehenden Zentralbank-Zahlungssysteme benutzen. Dieser Ansatz gehörte zum ursprünglichen Konzept einer Vollgeldreform.

Die Bank von England hat inzwischen ihr offizielles CBDC-Plattform Modell vorgestellt, durch das Kunden einen indirekten, treuhänderisch verwalteten Zugang zu einem individuellen DV-Konto bekommen sollen. Zahlungsdienste handeln dabei als Payment Interface Providers. Sie managen die DV-Konten und Zahlungen der Kunden gemäß deren Auftrag, der mittels einer speziellen App erfolgt.[10b]

Die holländische Stiftung Ons Geld hat ein Konzept für public depositories (öffent­liche Treu­handkonten) entwickelt. Dabei dient ein Zentralbank-Transaktionskonto des Finanz­ministeriums bzw Finanzamts als Sammelkonto für Nichtbanken.[11] Dieser Ansatz müsste allerdings institutionell so gestaltet sein, dass keine Interessen­kollision entsteht. Der allgemeine Zahlungs­verkehr und das Finanzamt sollten besser nicht sozusagen unter einem Dach stecken.

Lietuvos bankas, die Zentralbank von Litauen, bietet Bezahldiensten Zugang zu ihrem Bezahlsystem CENTROlink. Bezahldienste können hierüber Reserven für ihre Kunden verwalten. Eine Voraussetzung dabei ist die Trennung der Kundengelder von den Eigenmitteln eines Bezahldienstes. Es wird berichtet, dass diese Variante eines treuhänderisch geführten Zentralbank-Kontos in Litauen ebenso wie im Euro-Ausland auf Interesse stößt.[12]              

DV als Mobilgeld
In den zurückliegenden Jahren hat sich ausgehend von Lateinamerika ein weiterer Ansatz entwickelt: Mobilgeld. Es handelt sich dabei um DV für den allge­meinen Publikumsgebrauch mithilfe einer speziellen Mobilfunk-App. In vielen Entwicklungs­ländern haben große Teile der Bevölkerung kein Bankkonto, aber die meisten Leute verfügen über ein Handy. Mobilgeld gilt daher als Türöffner für finan­zielle Inklusion und allgemeine Digitalisierung. Mobilgeld kommt der Vorstel­lung eines 'digitalen Bargelds' vielleicht am nächsten. Es ist weder Kontogeld (auf einem Zentralbank-Konto) noch Kryptogeld. Das Mobilgeld und die 'mobilen Brief­­t­aschen' oder 'E-Börsen' sind durchaus kryptographisch verschlüsselt, jedoch mittels Mobil­funk­technik, nicht in Form der multiplen elektronischen Journale und Blockchains von Kryptowährungen. Bei Mobilgeld handelt sich somit um eine weitere, dritte Form von Digitalgeld. Überweisungen von Mobilgeld erfolgen in Echtzeit und direkt von der E-Börse des Absenders in die des Empfän­gers (P2P). Dazu braucht es sicherlich einen oder mehrere System­betreiber bzw Operateure, aber keinen monetären Zahlungsintermediär wie die Banken es heute sind.

Zu den wegbereitenden Ländern gehörten Ecuador und Uruguay. In Ecuador heißt das Mobilgeld der Zentralbank dinero electrónico. Es lautet auf US Dollar, der in 2000 als heimische Währung übernommen wurde. IN-Switch, eine auf Mobilfunk-Finanz­dienste spezialisierte Firma, entwickelte das von der Zentralbank seit 2015 ein­ge­setzte Mobilgeldsystem.  Außer der Zentralbank und IN-Switch schließt der tech­ni­sche Betrieb des Mobilgeldsystems noch die drei Telephon­unternehmen des Landes ein sowie eine Reihe von Banken und anderen Firmen, die als Mobilgeld-Agenturen sind.[13] Die Agenturen wechseln Bar­geld in Mobilgeld. Mobilfunk-Überweisun­gen von dinero electró­nico sind interoperabel, das heißt sie besitzen eine Schnitt­stelle mit Bankengeld-Überweisungen und internationalen Transfers.

Uruguay führte 2017/18 einen Testlauf mit Mobilgeld namens e-peso durch.[14] Einige tausend Firmen und Haushalte  waren beteiligt. Für Überweisungen benutz­ten sie eine E-Peso-App. Die Verwaltung der registrierten Nutzer, ihrer E-Börsen und Überweisungen wurden von IN-Switch abgewickelt. Ein anderer Bezahldienst über­nahm die Einwechslung von Bargeld in E-Pesos. Der Testlauf wurde als Erfolg bewertet. Ähnliche Mobilgeldsysteme bestehen inzwischen in weiteren Ländern Latein­ameri­kas, der Karibik, Afrikas und Süd­ost­asiens.[15] Aus den meisten Berichten geht leider nicht hervor, ob es sich dabei um Mobilgeld auf Basis von Bankengeld oder Zentral­bank­geld handelt, anders gesagt, ob es sich um Geld dritter oder zweiter Stufe handelt.

Von der Zentralbank herausgegebenes Kryptogeld
Zentralbanken können eigenes Kryptogeld in Landeswährung in Umlauf bringen, monetär vergleichbar mit der Ausgabe von Zentralbanknoten, jedoch in digitaler kryptographischer Form. Unter einigen Mitgliedern der US Federal Reserve kam die Idee einer 'Fedcoin' schon 2014/15 auf. Das ist bisher jedoch ebenso wenig weiter­verfolgt worden wie der Ansatz einer Zentralbank-Kryptocoin, der zeitgleich im Auftrag der Bank von England entwickelt wurde.[16] In Litauen hat die Zentralbank mit einer LBCoin experi­mentiert, einer sog. collector coin auf Blockchainbasis. Sie soll ggf schon 2020 öffentlich angeboten werden.[17] Ein ähnlicher Ansatz namens E-hryvnia wurde in der Ukraine zwischen 2016–18 getestet.[18] Die EZB hat sich bzgl der Entwicklung von DV im allge­meinen und einer Zentralbank-Kryptowährung im besonderen bisher betont zurück gehalten. Die neue EZB Präsidentin, Chr. Lagarde, hat dagegen wiederholt Interesse an den digitalen Neuentwicklungen geäußert, und der Gouverneur der Banque de France, Fr. Villeroy de Galhau, hat ein Pilotprojekt zu Zentralbank-Kryptogeld auf den Weg gebracht.

Die Aktivitäten zu Zentralbank-Kryptogeld haben seit 2018 beträchtlich zugen­om­men, anscheinend auch in Reaktion auf die Ankündigung Chinas, bald einen 'digita­len Renminbi' in Umlauf zu bringen. Es geht dabei nicht nur um eine neue Art von Zentralbankgeld, sondern auch um die Einführung einer digitalen Identi­tät für Per­sonen und Institutionen. Die Bahamas haben im März 2019 das Pilotprojekt 'Project Sand Dollar' gestartet, das ebenfalls das Kryptogeld mit einer nationalen digitalen Identität paart.[19] Konventionelle Banknoten haben Serien­nummern, aber normaler­weise weiß niemand, bei wem sie sich gerade befinden. Dagegen können Mobilgeld und Kryptogeld und ihre jeweiligen Inhaber potenziell stets identifiziert werden. Das wirft Fragen des Schutzes der Privatsphäre und des Daten­schutzes auf.[20]       

Synthetisches DV als 1:1 Stablecoin
Synthetisches DV ist ein Typus von indirektem DV, sozusagen ein spezieller Fall von E-Geld, als Kryptogeld zweiter Stufe, eine Stablecoin, der Zentral­bank­­geld zugrunde liegt.[21] Einige Autoren benutzen 'synthetisches Zentralbankgeld' als Überbegriff für alle möglichen Arten von E-Geld, ungeachtet des Emittenten und  der digitalen Form (Kontogeld, Mobilgeld, Kryptogeld). Im hier vor­gelegten Papier bezieht sich 'synthetisches DV' nur auf eine Stablecoin, also ein Kryptogeld, das 1:1 mit Zentral­bankgeld gedeckt ist.

Auf internationaler Ebene würde sich ein solcher Stablecoin-Ansatz als supra­natio­nale Kryptowährung auf Basis von Zentralbankgeld der größten Reservewährungen. In diesem Sinn hat M. Carney, Gouverneur der Bank von England bis März 2020, eine 'synthe­ti­sche Hegemonialwährung' vorgeschlagen. Sie würde auf einem 'Netz­werk nationaler Zentralbanken und ihren Währungen' beruhen.[22] Anscheinend war auch dies eine Antwort auf das von Facebook initiierte Projekt einer supra­natio­na­l­en Stable­coin (Libra), und ein weiterer Vorschlag, die  Sonder­ziehungs­rechte des IWF, die bisher nur Recheneinheiten sind, als echte Zahlungs­mittel in Umlauf zu bringen.

Indirektes DV als1:1 E-Geld von E-Geld-Instituten  
Ein anderer Typus von indirektem DV ist E-Geld. In der EU wird E-Geld gemäß der einschlägigen Gesetzgebung von lizensierten E-Geld-Instituten herausgegeben, die nicht Banken sind. Indirektes DV als E-Geld ist 1:1 mit Zentralbankgeld gedeckt, evtl. zum Teil auch mit Staatsanleihen und anderen hoch gerateten Wertpapieren, verbunden mit dem Versprechen der Emittenten, das E-Geld auf Verlangen der Kunden zu rekonvertieren. Der Ansatz setzt voraus, dass die betreffenden E-Geld-Institute Zugang zur Zentralbank haben. Wenn nicht, brauchen die Emittenten von E-Geld einen Treuhänder (in der Regel eine Bank), die Zugang besitzt und mit dem E-Geld-Institut kooperiert. Da dies zusätzlich kostet, dürfte es die finanzielle Tragfähigkeit dieser Variante belasten.

Ein Beispiel für indirektes DV als E-Geld geben die chinesischen Internetkonzerne und Bezahldienste AliPay (Alibaba) and WeChat (Tencent). Ihr E-Geld basierte bisher auf Bankengeld. Die chinesische Zentralbank verlangt nun, das Bankengeld durch Zentralbankgeld zu ersetzen. Damit wird Alibabas and Tencents bisheriges E-Geld dritter Stufe auf Basis von Bankengeld zu indirektem DV zweiter Stufe auf Basis von Zentralbankgeld.[23]

Indirektes DV als 100% Reserven-gedecktes Bankengeld
Diese Variante eines indirekten DV stellt einen Rückgriff auf den Ansatz des 100%-Geldes der 1930er dar, auch bekannt als 100%-Reservebanking. Bei diesem Ansatz haben die Kunden ihr Geld weiterhin in Form konventioneller Giroguthaben bei Banken, mit dem Unterschied, dass dieses Geld zu 100% mit Zentralbankgeld unterlegt ist, nicht mehr mit einer Bruchteilreserve. Wenn die 100%-Reserve teilweise aus Staatsanleihen oder anderen Wertpapieren besteht, wird der Ansatz auch als narrow banking bezeichnet. Infolge der Krise 2007/08 haben Ansätze des 100%-Reservebankings eine gewisse Wiederbelebung erfahren, auch unter dem Aspekt, 'sichere Konten' anzubieten. Unter den Varianten von DV, die Mitarbeiter der Bank of England bisher untersucht haben, gehört indirect CBDC in diese Kategorie.[24]

Die Narrow Bank (TNB) in den Vereinigten Staaten möchte ihren künftigen Kunden Konten anbieten, die zu 100% mit Reserven gesichert sind. Die Federal Reserve hat sich zunächst geweigert, ein Zentralbankkonto für TNB zu eröffnen. Als dies nicht aufrecht zu erhalten war, weigerte sich die Fed, der TNB den üblichen Haben­zins auf Zentralbankguthaben zu zahlen, zum betreffenden Zeitpunkt 2,45%. Fortsetzung folgt.[25]

Die Ansätze eines 100%-Reservebanking sind nicht wirklich zukunftsorientiert. Sie reproduzieren das bestehende Reservebanking mit doppeltem Geldkreislauf, wenn auch auf einem höheren Niveau der Reservehaltung als heute. 

Die Wirtschaftlichkeit der Ansätze zu synthetischem und indirektem DV hängt ent­weder davon ab, dass die Zentralbanken Habenzinsen auf Zentralbankgeld zahlen (was als Geschäftsmodell im Prinzip fragwürdig ist und wovon nicht überall ausgegangen werden kann), oder dass die Kunden vergleichsweise hohe Gebühren für das Geld­manage­ment zu zahlen haben (was nur in speziellen Fällen wettbewerbsfähig ist), oder dass es zulässig ist, einen Teil der Deckungsgelder in ausreichend verzinsliche Kapital­anlagen zu investieren. Letztere Option verwässert das Geldsicherheits-Versprechen von synthetischem und indirektem DV.

Es ist gut möglich, dass die Liste der sieben Varianten von DV bald überarbeitet werden muss. Die Dinge entwickeln sich momentan schnell. Soweit die Liste Bestand hat, schließen die unterschiedlichen Ansätze einander im Prinzip nicht aus, aber gewiss werden in einem Land nicht alle gleichzeitig umgesetzt. Auch ist es unklar, ob es eine Abfolge des digitalen Zentralbankgelds geben wird, von Kontogeld zu Mobilgeld und Kryptogeld, oder ob Mobilgeld und Kryptogeld das Kontogeld überspringen; ebenso wenig, ob am Ende Mobilgeld oder Kryptogeld führend sein wird.

Bei allen sieben Varianten behält die Zentralbank die Kontrolle über das DV, und erlangt eine erhöhte geldpolitische Wirksamkeit, je größer der Anteil von DV am gesamten Geldangebot wird. Von gleicher systemischer Bedeutung ist die Frage, ob der jeweilige Typus von DV eine Direktzahlung P2P beinhaltet, direkt von Konto zu Konto, von E-Börse zu E-Börse, so wie Bargeld von Hand zu Hand zirkuliert. Soweit Tele­komfirmen, Bezahldienste, ggf Banken und andere Finanzinstitute involviert sind, handeln sie als Zahlungssystem-Operateure, ggf auch als Systembetreiber, nicht jedoch als monetäre Intermediäre wie heute die Banken, wenn sie Kunden-Kontoguthaben (Bankengeld) durch Interbanken-Reservenzahlungen übertragen. Freilich bringt es die Verwendung verschiedener Arten von DV und ihre Koexistenz mit Bargeld und Banken­geld auf unabsehbare Zeit mit sich, dass an den Schnittstellen ein Geldwechsel muss stattfinden können, um so die Interoperabilität im Gesamtsystem zu gewährleisten.     

Das P2P-Kriterium erfüllen die Ansätze des direkten und treuhänderischen Zugangs zu Zentralbankkonten, des mobilen DV und des Krypto-DV. In den anderen Fällen – synthe­tisches DV und indirektes DV als E-Geld – werden die Stablecoins bzw E-Gelder eben­falls direkt transferiert, jedoch anstelle des Zentralbankgelds, mit dem sie gedeckt sind, was wiederum ein Rekonversions-Versprechen beinhaltet. Beim 100% Reserven-gedeckten Bankengeld findet der Direkttransfer weiterhin nur zwischen den Banken statt, nicht zwischen den Kunden, die weiterhin nicht wirklich Geld, sondern ein Geld­versprechen gutgeschrieben bekommen, das wir wie Geld benutzen.

Alle Ansätze – außer dem Zentralbankkonto für alle – haben für die Zentralbank den Vorteil, sie nicht zu sehr in die betrieblichen Einzelheiten des Zahlungsverkehrs zu involvieren. Das bleibt den betreffenden Systemoperateuren und Bezahldiensten überlassen. Im Rückgriff auf das vorhandene privatwirtschaftliche Knowhow im Geld- und Zahlungs­wesen sind die Ansätze des treuhänderischen, synthetischen und indi­rek­ten DV vergleichsweise einfach und ohne allzu lange Vorbereitungszeit realisierbar. Diese Ansätze haben jedoch einen Haken, der auch für 100%-Reservebanking gilt. Der Haken besteht darin, dass die 100% bzw 1:1 Deckung mit der Zeit aufgeweicht werden könnte, was ein Rückfall in die alten problem­beladenen Praktiken der fraktionalen Reservehaltung wäre.

Alles in allem sind die Ansätze des direkten und des treuhänderischen Zugangs zu DV, des mobilen DV und des Krypto-DV im Vergleich zu synthetischem und indirek­tem DV vorzuziehen. 100% Reserven-gedecktes Bankengeld ist der am wenigsten ansprechen­de Ansatz, da er das bestehende Giralgeldregime mit doppeltem Kreislauf beibehält (was auch Probleme der technischen Gewährleistung einer jederzeitigen vollen 100%-Reserve aufwirft).

Die große Mehrheit von befragten Zentralbanken selbst gibt an, einen Typus von DV zu präferieren, der als universelles Zahlungsmittel allgemein zugänglich und sinngemäß ähnlich wie Bargeld zu benutzen ist, und der besser 'value-based' statt 'account-based' sein sollte, das heißt, eher Mobilgeld und Kryptogeld als Kontogeld. Auch teilen die meisten Zentralbanker die Auffassung, dass die Zahlungsinfrastruktur – sinngemäß analog den heutigen RTGS Systemen – von der jeweiligen Zentralbank gestellt oder unmittelbar kontrolliert werden sollte, während der Zahlungsverkehr selbst von Banken und anderen Geld- und Zahlungs-Dienstleistern ausgeführt werden sollte.[26]  

Warum Bankengeld langfristig keine Zukunft mehr hat

Entgegen dem Augenschein, stehen die Aussichten für das Bankengeld nicht günstig. Der Aufstieg der neuen Geldarten, besonders des CBDC/DV, dürfte den allmählich einsetzenden Rückgang des Bankengelds mit sich bringen. In einem Geldsystem, das zuneh­mend auf DV basiert, werden das Bankengeld und die Banken in ihrer Rolle als 'trusted third party', als Erzeuger und Vernichter von Bankengeld und als monetäre Intermediäre dieses Geldes, zunehmend überflüssig.

Das EU-Recht sieht gegenwärtig nicht vor, dass Banken als Bezahldienste und E-Geld Institute tätig sind. Vielmehr sind E-Geld Institute eine weniger regulierte Alternative zu den teuren Geld- und Zahlungsdiensten der Banken. Selbst wenn Banken als E-Geld Institute vorgesehen wären, oder sie ein solches Institut separat unter ihrem Dach führen, analog einem Geldmarktfonds, oder wenn Banken als DV-Treuhänder für ihre Kunden aktiv würden, sind Banken in allen diesen Funktionen  nicht länger Schöpfer ihres eigenen Bankengelds.

Das Bankengeld entwickelte sich durch die krisenanfällige Praxis der fraktionalen Reserve­­­haltung und der Verrechnung von Zahlungsforderungen und -verbindlichkeiten anstelle umgehender Erfüllung in Geld. Das Bankengeld entwickelte sich auf diese Weise, besteht durch sie, und wird mit ihr niedergehen. Das sollte jedoch nicht missverstanden werden. Der Aufstieg des DV stellt den langfristigen Niedergang des Bankengelds in Aussicht, nicht aber das Ende der Banken. Banken ebenso wie die heutigen nicht-monetären Finanzinsti­tute erfüllen zahlreiche nützliche und teils unersetzliche Funktionen auf den Gebieten des Geld-, Währungs- und Zahlungs­managements, des Kreditwesens, Investmentbankings und der finanziellen Vermö­gens­verwaltung. Diese Funktionen, die heute vor allem mittels Bankengeld und Geld­marktfonds-Anteilen ausgeübt werden, können mit DV ebenso gut erfüllt werden.

Warum nicht ein von den Banken herausgegebenes Mobilgeld oder Kryptogeld?

Könnten Banken nicht ein eigenes Mobilgeld oder Kryptogeld herausgeben? Was das Mobilgeld angeht, und in Ländern mit flächendeckender Bankkonto-Verfügbarkeit, können sich Banken nicht wirklich etwas davon versprechen, wenn sie ihr Bankengeld durch ein Mobilgeld-Angebot auf Basis ihres Bankengelds ersetzen oder ergänzen. Die mobi­len Geldeinheiten blieben Verbindlichkeiten in der Bilanz der Mobilgeld emittie­renden Bank. Sie würden nicht, wie Bankengeld-Verbindlichkeiten sonst, von Bank zu Bank übertragen werden. Die Akzeptanz und Interoperabilität des Mobilgelds verschie­dener Banken zu gewährleisten, wäre ähnlich problematisch wie bei den privaten Banknoten des 18. und 19. Jhds.

Eine Bank könnte ebenso die Ausgabe von E-Geld oder einer Stablecoin dritter Stufe, 1:1 gegen Bankengeld, in Betracht ziehen. Auch in diesem Fall stellt sich die Frage, was für einen Sinn es macht, eine Art von Bankverbindlichkeit gegen eine andere auszu­tauschen. Das gilt umso mehr als in allen diesen Fällen die Banken nicht davon aus­gehen können, dass ihr Mobilgeld, E-Geld oder Kryptogeld die gleiche privilegierte Unterstützung durch Zentralbank und Regierung genießen würde wie das Bankengeld. Ohne das Giralgeldprivileg aber würde sich eine Bank kaum mehr von einem E-Geld Institut unterscheiden. 

Mit einer Banken-emittierten synthetischen Stablecoin, die 1:1 mit Zentralbankgeld unterlegt ist, wäre die Lage anders, aber nicht ganz anders. Das synthetische DV muss voll finanziert sein, nicht nur fraktional re-finanziert wie das Banken­geld. Das würde zur Beendigung des heutigen Geschäftsmodells der Banken beitragen, das auf fraktionaler Refinanzierung beruht. Die Banken stecken hier in einer Zwickmühle. Wenn sie neue Arten von Geld anbieten, machen sie ihrem eigenen Bankengeld Konkurrenz. Das würde nur Sinn machen, sollten sie eines Tages zum Schluss gelangen, es sei besser, das Bankengeld aufzugeben statt mit ihm niederzugehen.

Könnten Großbanken, oder Konsortien von Großbanken, nicht ebenfalls in Betracht ziehen, eine eigene ungedeckte Kryptowährung in Umlauf zu bringen, vorausgesetzt, die Zentralbanken und Finanzministerien würden das dulden? Eine solche Krypto­währung wäre höchstwahrscheinlich auf spezielle Nutzer­gruppen begrenzt. Beim breiten Publikum jedoch hätte eine unge­deck­te Kryptowährung von Banken kaum größere Chancen als allgemeines Zahlungsmittel Verbreitung zu finden als die bereits vorhandenen privaten Kryptowährungen. Der Hype um ungedeckte private Krypto­währungen könnte zwar noch viele Jahre lang anhalten solange die Behörden die monetären Angelegen­heiten weiterhin schleifen lassen. Es wird aber früher oder später zu Krisen kommen, in denen sich erweist, dass solche 'Coins' zwar ein neues Spielzeug im globalen Kasino sein mö­gen, sie als Zahlungsmittel von allgemeiner Gültigkeit und leidlich stabilem Wert aber nicht taugen.

Makroökonomisch gesehen tragen Kryptogelder, E-Gelder und Mobilgelder in priva­ter Währung nichts dazu bei, erst recht nicht in offizieller Währung, die Prob­leme zu lösen, die mit der Überschießensdynamik der außer Kontrolle geratenen Geld­schöpf­ung verbunden sind. Im Gegenteil verschlimmern private Geld­arten diese Probleme.

Unabhängig davon haben alle privaten Zahlungsmittel, die nicht auf Zentralbank-Unterstütz­ung und Regierungs-Gewährleistung bauen können, Schwierigkeiten, bei einem breiteren Publikum Akzeptanz zu finden. Private Gelder ohne staatliche Garan­tien können sich nicht zu universellen Zahlungsmitteln entfalten, und es ist unwahr­scheinlich, dass sie ohne solche Unterstützung die Krisen überstehen, in die sie einzeln oder gesamtwirtschaftlich unweigerlich geraten. Das zeigen viele Beispiele aus der monetär 'holprigen' Zeit des unregulierten Papiergelds. Jene Epoche wurde erst durch die Ein­füh­rung national standardisierter gesetzlicher Zentralbanknoten beendet. Auch dieses Mal liegt die Bereinigung der Situation in der Einführung eines entspre­chend standardisierten digitalen Zentralbankgelds (Vollgelds).   

Die Tragikomödie des Bankengelds als para-staatliches Privatgeld

Das Ringen zwischen staatlichem und privatem Geld ist in die hier behandelten mone­tären Tidenwechsel von Beginn an eingewoben – staatliches Geld, das darum ringt, seine hoheitliche Stellung zu erhalten, privates Geld, das es darauf anlegt, die staat­liche Geldhoheit für sich zu erringen.[27] Die beiden einschlägigen historischen Beispiele sind zunächst das Papiergeld, später das Giralgeld der Banken. Inzwischen ist in Form der ungedeck­ten privaten Kryptowährungen noch ein weiterer Heraus­forderer der staatlichen Geldhoheit angetreten.

Soweit heute bekannt, wurden monetäre Wert- und Zähl­einheiten von den Verwal­tungen der frühantiken Herrscher in Mesopotamien und Ägypten ent­wickelt. Danach, seitdem König Krösus von Lydien vor rund 2.700 Jahren Geld als Zahlungsmittel in Form von Münzen einführte, wurden die Münzen mit dem Bildnis der jeweiligen Herrscher oder diversen Hoheitssymbolen geprägt. Geld entwickelte sich als Teil dessen, was heute Staatsrecht oder öffentliches Recht ist, im Unterschied zum Zivil- oder Privat­recht. Geldschöpfung, oder die Lizensierung und Kontrolle privater Geldaus­gabe, wurde zur Prärogative antiker und feudaler Herrschafts­häuser sowie der daraus hervor gegangenen souveränen Nationalstaaten moderner Zeit. Eine Ausnahme bildete nur die Zeit nach dem Fall des Roms, als private monetarii das sog. Münzregal gekapert hatten, bis Pippin III. und sein Sohn Karl der Große die Geldhoheit ab der zweiten Hälfte des 8. Jhds wieder herstellten. Der Grund dafür lag nicht allein im Streben der Herrscher nach Macht und Gewinn, sondern auch in den funktionalen Erfordernissen der Verwaltung und Finanzierung eines Staatsgebildes.

Die monetären Prärogativen eines souveränen Staats beinhalten drei Komponenten:
1.  Die Währung als die monetäre Recheneinheit bestimmen.
2. Das in dieser Währung denominierte Geld (die Zahlungsmittel), oder mehrere Arten solchen Geldes, zu schöpfen bzw in Umlauf bringen.
3. Dadurch der Seigniorage, des Gewinns aus der Geldschöpfung, zuteilwerden.

Diese monetären Vorrechte stehen in einer Linie mit anderen solchen Hoheitsrechten von konstitutioneller Bedeutung wie insbesondere Gesetzgebung, Rechtsprechung, Gebiets­ver­waltung, Besteuerung und Gewaltmonopol. Kein ordentlich geführter Staat wird diese Hoheitsrechte freiwillig an fremde Mächte oder partikulare Interessen­gruppen abtreten.

Interessierte Kreise jedoch möchten das Geld als Bestandteil der staatlichen Rechts­ordnung beseitigt sehen, um es als eine Sache des Privat- bzw Zivilrechts zu behandeln. Die monetären Prärogativen sind im Hinblick auf Gewinn, Macht und Pracht anschein­end zu verlockend, um sich nicht möglichst viel davon privat anzu­eignen. Gerade in modernen, weitgehend monetarisierten und finanzialisierten Gesellschaften verleiht die Kontrolle über das Geld – seine Schöpfung und Erstbenutzung sowie seine Allokation im weiteren – eine überlegene Macht, die nur von Komman­do­gewalt und Weisungsbefugnis noch übertroffen wird.

Als Ergebnis des Aufstiegs des Bankengelds zu systemischer Dominanz im Verlauf des 20. Jhds ist von den drei Komponenten der Geldhoheit nur noch die erste intakt, die Währungshoheit. Dagegen sind die Geldhoheit und die Seigniorage weitgehend an den Bankensektor übergegangen (die Seigniorage in Form der Vermeidung von Refinan­zierungskosten dank fraktionaler Reserve). Die Zentralbanken, ihrer Herkunft nach Bank des Staats, wurden zur Bank der Banken. Systemisch relevante Banken haben heute eine faktische Stützungsgarantie seitens der Zentralbanken in ihrer Rolle als lender of last resort, inzwischen ausgeweitet zur Rolle des jederzeitigen Refinanziers der Banken 'whatever it takes', laut der sprichwörtlich gewordenen Aussage des ehemaligen EZB Präsidenten Draghi, zum Beispiel durch großvolumiges QE für Banken und Finanzwirtschaft.

Die Regierungen ihrerseits haben die Rolle des Garantiegebers letzter Instanz für das Bankengeld und damit die Banken übernommen. Seit den 1930ern besitzt das Banken­geld gesetzliche Depositen­versicherung, teils von den Banken selbst erbracht (zum geringeren Teil), teils von der Regierung (zum Großteil). Falls nötig bürgen die Regier­ungen für Banken (Bail-out), zum Beispiel indem sie bedrohte Banken mit staatlichen Mitteln rekapitali­sieren. Inzwischen wurden sogar die Kunden gesetzlich zu einem ggf fälligen Bail-in ver­pflichtet, das heißt, einer bilanziellen Zwangs­umwandlung von Kundendepositen in Eigenkapital einer Bank, um auch auf diese Weise Insolvenz-bedrohte Banken über Wasser zu halten.

Das Bankengeld wäre spätestens seit um 1930 und der Großen Depression als allge­meines privates Zahlungsmittel verschwunden, würde es seither nicht in schrittweise erweitertem Umfang durch die Zentralbanken und kollaborierende Finanzministerien unterstützt und von den Regierungen in hohem Maß garantiert. Um es richtiger zu sagen: Das Bankengeld als rein privates Zahlungsmittel ist seit jener Zeit tatsächlich verschwunden. Zentralbanken und Regierungen haben eine faktische Mitverant­wortung für die kommerzielle Existenz des Bankensektors übernommen, speziell für die neuerdings als 'systemisch relevant' eingestuften Großbanken.

Bankengeld und Zentralbankgeld, also Geschäftsbanken und Zentralbanken, sind heute monetär eng mitein­ander verflochten und voneinander abhängig. Von einem gemischten Geld­system zu sprechen, ist nicht falsch, aber dennoch verharmlosend und verunklarend. In Wirklichkeit handelt sich um ein genuin privates Giralgeldregime der Banken, das von den staatlichen Zentralbanken monetär abgesichert und von den Regierungen existenziell garantiert wird, ein System, in welchem sich Zentralbank und Regierung der Systemführung der Banken und Finanzinstitute unterordnen, und das originär private Bankengeld para-staatlichen Status erlangt hat.

Zu den Gründen dieser Entwicklung gehören die wiederkehrende Erfahrung schwerer Bank- und Finanzkrisen und damit verbundene Sorgen bezüglich des nationalen Geldangebots. Dieses besteht ja aus Bankengeld, das in Umlauf gehalten werden muss, um die Wirtschaft am laufen zu halten. Anstatt aber die ordnungspolitisch illegitimen und funktional problematischen Gegeben­heiten des bestehenden Geld- und Banken­systems zu ändern, haben sich Politiker, Zentralbanker und Ökonomen ein ums andere Mal dafür entschieden, das Giralgeldprivileg der Banken zu erhalten. Sie bleiben der Illusion verhaftet, Banken durch immer umfangreichere bürokratische Reglemen­tie­rung sicher machen zu können, zuletzt zum Beispiel mit dem Ausbau der international vereinbarten Basel Regeln zur Liquidität und Solvenz der Banken, oder dem ameri­kani­schen  Dodd-Frank Act von 2010. Dieses Gesetz umfasst fast tausend Seiten und schreibt unter anderem Sparten­abschot­tung (ring fencing) und Abwicklungspläne (living wills) vor. Solche Maßnahmen bleiben sämtlich inside the box. Sie werden heute so wenig helfen wie sie früher schon nicht viel genützt haben.

Liquiditätsrisiken sind das konstituierende Merkmal des fraktionalen Reservebankings. Abgesehen davon kann die Möglichkeit von Krisen und Insolvenzen im Bank­gewerbe grundsätzlich nicht 'wegreguliert' werden. Es ist nicht möglich, bilanzielle Inkon­gru­­enzen auszuschließen, wie sorgfältig auch immer die Kalkulationen gewesen sein mögen, die dann doch immer wieder durch unvorhergesehene Ereignisse und Fehl­ver­halten bei anderen Geschäften über den Haufen geworfen werden. Banken sicher machen zu wollen, um das Bankengeld zu sichern, ist ein vergebliches Unter­fangen. Bankrott kommt von Bank. Stattdessen käme es darauf an, für ein bestand­sicheres stabiles Vollgeld zu sorgen, und den Banken die Freiheit zu lassen, die Art von Finanz­unternehmen zu sein, die sie sein wollen – außer Schöpfer von Bankengeld.

Es ist eine Tragikomödie. Die Komödie ist das Bankengeld, das auf souverän macht. Die Tragik ist die verbreitete Annahme, das Bankengeld zweiter Stufe befinde sich unter Kontrolle und Führung der Zentralbanken, wo das heutige Giralgeldsystem doch maß­geblich von den Banken angeführt und determiniert wird. Die wohlgefällige Verken­nung der Lage trat jüngst wieder zutage anlässlich der für 2020 angekündigten Libra Stable­coin. Politiker jeder Couleur entdeckten plötzlich die mone­täre Souveränität der Staaten als ein hohes Rechtsgut, das es gegen private Heraus­forderer zu verteidigen gelte. Sie sind sich dabei anscheinend nicht des Sachverhalts bewusst, dass man die Geld­hoheit und Seigniorage längst weitgehend dem Banken­sektor und dem zu para­-staat­lichem Status erhobenen Bankengeld überlassen hat – was wirklich zum Lachen und Weinen ist.

Dem digitalen Vollgeld den Weg bereiten

Zwei Probleme – ein fiktives, ein reales  (Disintermediation, Bankrun)

Die Einführung eines digitalen Zentralbankgelds für den Publikumsgebrauch, wenn auch in Koexistenz mit dem Bankengeld, ist der wegbereitende Schritt für den anste­hen­den monetären Tidenwechsel. Jedoch bleibt die heute noch vorherrschende politische Perspek­tive in der Frage der monetären Prärogativen undeutlich und ambi­valent. Das dürfte Anfechtungen des DV hervorrufen, Umwege, Rückschritte, zeit­weisen Stillstand bedeuten, und so eine einstweilige Fortsetzung der vorhan­denen Geld- und Finanz­proble­matiken mit sich bringen.

Der Weg in Richtung einer Zusammensetzung des Geldangebots, in dem DV dominiert, ist kein Selbstläufer. Man stelle sich zum Beispiel eine Situation vor, in der finanziell keine sonderlichen Unsicherheiten bestehen, Banken einen Habenzins auf Depositen zahlen, während DV unverzinst ist, und die Staatsgarantien für das Banken­geld unge­schmälert fortbe­stehen. In einer solchen Situation werden sich Firmen und Haushalte kaum bemüßigt fühlen, vom gewohnten Bankengeld auf DV umzusteigen.

In der Diskussion über DV werden vor allem zwei Probleme in den Vorder­grund gestellt, besser gesagt, sorgenvolle Erwartungen. Die eine bezieht sich auf Dis­inter­mediation, die andere auf Bankruns.

Disintermediation
Das Thema der Disintermediation beruht auf der Annahme, Banken seien Finanz­intermediäre und die Einlagen der Kunden (das Bankengeld) seien Finanzierungsmittel für die Banken. Man meint also, Banken nehmen das Bankengeld der eigenen Kunden auf, um damit die Kreditvergabe und Invest­ments zu finanzieren. Wenn nun DV einge­führt wird – so der Gedanke – verrin­gert sich der Anteil des Banken­gelds am Geld­angebot, und das könnte zu einer Verknappung preisgünstiger Kundeneinlagen zur Finanzierung der Bankgeschäfte führen.

Ein solches Problem bestand zu einem gewissen Grad in früheren Zeiten, als das Geld­ange­bot noch vom Bargeld dominiert wurde und dieses noch keine Bankengeld-Untermenge zur Aus- und Wiedereinwechslung geworden war. Das ist gut hundert Jahre her. Heute sind Banken keine Finanzintermediäre mehr und Disintermediation ist ein fiktives Problem. Als Finanzintermediäre handeln nicht-monetäre FI wie Geld­markt­fonds, Pensions­fonds, überhaupt alle Arten von Kapitalanlage-Gesell­schaften, alte und neue Verbriefungsinstrumente usw. Sie arbeiten überwiegend mit Bankengeld zweiter Stufe.

Die Lehrbuchmodelle eines Geld- bzw Kreditmultiplikators durch die vermeintliche Mediationstätigkeit der Banken entspricht nicht den Tatsachen. Jedoch gibt es einen solchen Kreditmultiplikator durch die Tätigkeit der nicht-monetären FI auf der Basis des Bankengelds. Nicht-monetäre FI gehören oft zu einem Bankkonzern, jedoch als separate Einheiten. Weder wird dadurch eine betreffende Bank zu einem Finanz­inter­mediär, noch wird ein Nichtbanken-Finanzintermediär zu einer Bank.

Das Denken in Bankeinlagen als Finanzierungsmitteln für Banken gehört zu jenen 'alten Gewohnheiten' der Geld- und Bankentheorie die sich schwer ablegen lassen. Banken können mit dem Giralgeld ihrer Kunden jedoch keine eigenen Geschäfte finanzieren.[28] Um Zahlungen zu tätigen, gleich ob im Auftrag ihrer Kunden oder im Eigengeschäft, benötigen Banken Zentralbankreserven und daneben noch etwas Barkasse. Dabei können weder Bank­ein­lagen (Bankengeld) in Reserven umgetauscht werden, noch können Reserven an Kunden ausbezahlt werden. Spar- und Termineinlagen wiederum sind deaktiviertes Bankengeld, das sich überhaupt nicht in Umlauf befindet solange es auf diesen Konten bleibt.

Demgemäß beruht Bankkredit nicht auf Einlagen, sondern erzeugt Einlagen, und diese können nur von Nichtbanken verwendet werden. Das auf einem Konto gutgeschrie­be­ne Bankengeld wird nicht von woanders hergeholt, sondern, wie es bildlich heißt, 'aus dem Nichts' in ein Konto geschrieben, originär in Verbindung mit der Ausstellung eines Bankkredits oder Wertpapierkaufs. Die Reserven zur fraktionalen Refinanzierung des Bankengelds werden am Interbankenmarkt oder bei der Zentralbank aufgenommen. Daneben ist es möglich, dass eine Bank A einen Reservenzufluss dadurch erzielt, dass sie Kunden­gut­haben von anderen Banken abwirbt, denn daraus ergibt sich eine ein­seitige Reservenübertra­gung von den betreffenden anderen Banken zu Bank A.

Wenn sich hier überhaupt eine Frage stellt, dann betrifft sie den Umstand, dass ein Umtausch von Bankengeld in DV eine Vollfinanzierung des DV mit sich bringt, wie es heute mit Bargeld der Fall ist. Diese Kosten sind zwar über den Banken­sektor verteilt, was gleichwohl etwas höhere Finanzierungskosten für die einzelne Bank bedeutet, im Prinzip gleich den Finanzierungskosten für Bargeld (während die Handhabungskosten für DV geringer sind als für das stoffliche Bargeld). Soweit Banken selbst DV benutzen, können sie damit anderen DV-Nutzern gegenüber tatsächlich als Intermediär handeln, indem sie sich DV von Kunden und anderen Banken leihen, um es an andere zu verleihen (was mit Bankengeld rein technisch nicht möglich ist, aber früher mit Bargeld erfolgte; heute nur noch marginal, soweit über einen Kredit bar verfügt wird). 

Bankrun
Die zweite Sorge betreffend DV ist ein erdrutschartiger Run auf das Banken­geld, um es in DV zu wechseln. Diese Sorge hegen 82% befragter Zentralbanker.[29] Das Problem eines potenziellen Bankruns besteht schon. Nur ist es ein Problem des Bankengelds, nicht des DV. Seit es fraktionales Reservebanking gibt, haben die Banken auf Basis einer Teil­reserve gearbeitet. Die Gefahr eines Bankruns ist von daher immer gege­ben; und dem wird so bleiben, solange Banken Geld aufnehmen, um es an anderer Stelle zu verleihen oder zu investieren, und besonders solange es Bankengeld gibt.

Mit der Einführung von DV wird die potenzielle Gefahr von Bankruns nicht größer als sie es durch die Jahrhunderte hindurch gewesen ist. Im Gegenteil wird das Problem kleiner, soweit Vollgeld an die Stelle von Bankengeld tritt. Deswegen werden die Kredit- und Investmentrisiken des Bankgeschäfts natürlich nicht verschwin­den. Eben­so können nationale Währungen auf- oder abwerten, und es kann zu einer Kapital­flucht aus einer schwachen Währung kommen. Bei alldem aber bleibt DV was es ist: gesetz­liches Basisgeld, ein bestandsicheres Zahlungsmittel, das nicht wie Banken­geld ver­schwinden kann indem es sich als ein leeres Bilanzversprechen erweist.

Im Rahmen des heutigen Bankengeldregimes wird das Bankrunthema kleingeredet, im Rahmen der DV-Diskussion wird es maßlos übertrieben. Ein Bankrun droht aber nur in der Krise einer einzelnen Bank oder des ganzen Bankensektors. Unter Normal­bedin­gun­gen räumt man heute wie selbstverständlich dem geringeren Aufwand und der Bequemlichkeit des bargeldlosen Bezahlens mit Bankengeld den Vorzug ein gegenüber der Sicherheit des stofflichen Bargelds. Mit DV wird sich das kaum ändern, besonders nicht, wie oben erwähnt, wenn es Habenzinsen auf Banken­geld gibt und Zentralbank und Regierung das Bankengeld weiterhin gewährleisten.

Eine wenig durchdachte Überreaktion auf das übertriebene Problem besteht darin, DV zu rationieren, zum Beispiel in Form einer Begrenzung der zur Ver­fügung stehenden Menge an DV, oder einer Beschrän­kun­g von Zahlungen mit DV, wie es gegenwärtig mit Bargeld geschieht. Bei einem drohen­den Bankrun wirkt die begrenzte Verfügbarkeit von DV kontraproduktiv, denn es ist gerade das Wissen um die begrenzte Verfüg­bar­keit von Bargeld (heute) bzw DV (künftig), was in einer Krise einen Bankrun bewirkt. Darüber hinaus ist nicht auszu­schließen, dass eine Rationierung von DV die 1:1 Parität zwischen Zentralbankgeld und Bankengeld gefährden könnte.[30]

Die Antwort auf die Bankrunfrage ist einfach: Als Designprinzip eines DV sollte eine betreffende Zentralbank die Konversion von Banken­geld in DV garantieren. Genauer gesagt würde die Garantie darin bestehen, jederzeit ausreichend viel DV bereit­zu­stellen, um einen Umtausch gemäß Markt­nach­frage zu ermöglichen. Die Zentralbank-Unterstützung, die seit der Krise 2007/08 in Form von QE gegeben wurde, um die Banken und das Bankengeld zu stützen, kann wohl kaum ver­weigert werden, wenn das Geld der Zentral­bank in einer möglichen künftigen Banken­krise nicht nur von den Banken, sondern auch von Seiten des Publi­kums  gefragt ist. Mit Papiergeld ist es nicht möglich, buchstäblich über Nacht große Mengen davon bereitzustellen; mit DV ist das ohne weiteres machbar. Eine Konver­sions­­garantie würde weit weniger DV erfordern als die Reserven­flut, die für die Banken und das Bankengeld durch QE Programme des zurückliegenden Jahr­zehnts geschaffen wurden.

Die Garan­tie, Bankengeld in DV zu konvertieren, würde nicht einen Erdrutsch in Richtung DV auslösen, sondern einem solchen tat­säch­lich vor­beu­gen. Denn das Wissen um die Garantie und die Fähigkeit der Zentral­bank, die Garantie auch einzulösen, verringert die Dringlichkeit eines Umtauschs und verhindert eine sonst drohende Panik. Cete­rum censeo: Das Bankrunproblem ist ein Prob­lem des Bankengelds, nicht des DV. DV ist tatsächlich die Lösung des Problems.

Designprinzipien für ein digitales Vollgeld

Bei seiner Einführung trifft DV auf eine Anzahl von gegeneinander konkur­rie­r­enden Arten und Formen von Geld. Wie weit sich DV in diesem Umfeld durchsetzen wird, hängt maßgeblich davon ab, nach welchen Designprinzipien DV implementiert wird. Diese Designprinzipien hier auch noch im Detail zu erörtern, würde den Rahmen dieses Papiers endgültig sprengen.[31] Dennoch seien die Prinzipien, die einer Ausbreitung von DV dienlich sind, zumindest kurz erwähnt:

<> Keine Zugangsbegrenzung zu DV. Als Nachfolger des Bargelds muss DV ein universell nutzbares und unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel sein, das von allen Wirt­schaftsteilnehmern für alle Arten von Transaktionen verwendet werden kann.   

<> Soweit DV die Form von Kontogeld hat, sollten die heutigen Interbank-Reserven mit dem DV in einen Kreislauf integriert werden. Reserven und DV sind die gleiche Art von Zentralbankgeld. Die Geldpolitik wird damit nicht 'verwässert', sondern wirk­samer.

<> Uneingeschränkte Konvertierbarkeit von Bankengeld und DV in beide Richtungen…

<> …einschließlich einer Konversionsgarantie seitens der Zentralbank. Dies bedeutet faktisch den Ausschluss einer Rationierung des Angebots an DV.

<> Allmähliche Verringerung und langfristige Aufhebung der staatlichen Gewähr­leis­tung des Bankengelds.

<> Graduelle längerfristige Ausweitung der Nutzung von DV durch Ämter und öffentliche Einrichtungen.

<> Was die Inumlaufbringung von DV angeht, sollten Offenmarktkäufe von Staats­anleihen und Zentralbankkredit an Banken nicht die einzigen oder bevorzugten Kanäle bleiben. Eine abgeänderte Buchungspraxis und Bilanzierung bei den Zentral­banken würde es erlauben, DV zum Beispiel auch in Form einer Bürger­dividende oder als originäre Seigniorage an den Staatshaushalt in Umlauf zu bringen – wobei der Umfang auch solcher Emissionen ausschließlich nach monetären Kriterien auf­grund diskretionärer Zentralbankentscheidung zu erfolgen hätte.[32]

<> DV sollte im Prinzip nicht zinstragend sein. (Kredit ist zinstragend, nicht das Geld). Wenn jedoch Banken Habenzinsen auf Giroguthaben zahlen, könnte auch die Zentral­bank es in Betracht ziehen, einen ähnlich hohen Habenzins auf DV zu zahlen, um so unerwünschten Fluktuationen zwischen der Benutzung von DV und Bankengeld gegenzusteuern.

Ein weiteres Prinzip ist der Ausschluss von Negativzinsen. Das ist zwar nicht systema­tisch Teil eines DV-Designs, könnte in diesem Zusammenhang aber doch eine Rolle spielen, weil etliche Öko­no­men DV in der Absicht gutheißen, das Bargeld sofort ab­schaf­fen und flächendeckend Negativzins auferlegen zu können. Genau  genom­men ist Negativ­zins kein Zins und geht auch als Kontogebühr nicht durch. Wird er von der Zentralbank auf Bankguthaben erhoben, handelt es sich um faktisch um eine ver­steckte Geldsteuer im rechtlichen Zwielicht, die über den Zentralbankgewinn der Staatskasse zugutekommt. Wird Negativzins von den Banken auf Kundenguthaben erhoben und nicht ans Finanzamt abgeführt, handelt es sich um eine illegale Privat­steuer zum unlauteren Vorteil des Gewinnkontos der Banken.[33] Die Wirkung ist so oder so kontraproduktiv. Statt zusätzliche Ausgaben und Wachstum zu stimulieren, wird Negativzins in wirk­samer Höhe vor allem kompensatorische Sparanstrengungen und noch mehr nicht-BIP-wirksame Finanzmarktgeschäfte auslösen.

Bleibt schließlich die Frage, wie mit den Geldsurrogaten dritter Stufe umgegangen werden soll. Für GMF-Anteile, 1:1 Komplementärwährungen, E-Gelder und Stablecoins sollten folgende Regeln gelten: 

<> Die Emittenten müssen eine 100%-Deckung im zugrunde gelegten einbezahlten Geld jederzeit aufrecht erhalten, oder, zum geringeren Deckungsanteil, hoch geratete Wertpapiere, die mit dem einbezahlten Geld gekauft werden.

<> Einbezahltes Geld und damit erworbene Vermögenswerte müssen auf heimische Währung lauten.

<> Die Emittenten müssen ein passives Währungsregime verfolgen. Eine aktive Politik wie zum Beispiel der Kauf von Wertpapieren mit dem eigenen Geldsurrogat dritter Stufe, darf nicht statthaft sein.

<> Alle Privatgelder bzw Privatwährungen müssen in einer eigenen Währungseinheit denominiert sein, nicht der offiziellen staatlichen Währungseinheit, auch wenn das Geldsurrogat dritter Stufe an diese Währung per Peg gebunden ist.

Trotz vorhersehbarer Friktionen in der Koexistenz von DV, Bankengeld und neuen Geldsurrogaten ist die Einführung von DV ein überfälliger Schritt in Richtung des anstehenden monetären Tidenwechsels. Im Vergleich dazu bleiben die dem dominanten Bankengeld inhärenten Probleme sowie die zusätzlichen Regierbarkeit­s­probleme durch eine Vielzahl neuer Arten und Form von Geld um vieles größer. Höchste Zeit, sich an die monetären Prärogativen zu erinnern.  

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Endnoten

[1] Mathew 2018, Tapscott/Tapscott 2016, Groß/Herz/Schiller 2019 628, Heasman 2019.

[2] OMFIF/IBM 2019 7, pp.26.

[3] Der Terminus CBDC wurde von Kumhof eingeführt, zum Beispiel in Barrdear/Kumhof 2016.  

[4] Cf. Barrdear/Kumhof 2016, Bech/Garratt 2017, BIS 2018, Bordo/Levin 2017, IMF 2018, Kumhof/ Noone 2018, Meaning/Dyson/Barker/Clayton 2018, Sveriges Riksbank 2017, 2018, 2018b.

[5] BIS 2019 9–10, Boar/Holden/Wadsworth 2020, 4.

[6] OMFIF/IBM 2019 6, 13.   

[7] Cf. Huber/Robertson 2000, AMI 2010, Positive Money 2011, Dyson/Graham/Ryan-Collins/Werner 2011, Dyson/Jackson 2013 part II, Dawney 2017, Huber 2017 143–179.

[8] Zum NEED Act siehehttps://www.monetary.org/images/pdfs/HR-2990.pdf, AMI 2010; zum schweizer Referendum https://www.vollgeld-initiative.ch/english, Dawney 2017.

[9] Die hier gegebene Systematik beruht auf Unterscheidungen bei Hess 2019 und Kahn/Rivadeneyra/ Wong 2019 14–17.

[10] Schemmann 2012.  

[10b] Bank of England 2020, 25–34.                               

[11] Wortmann 2019.

[12] Juškaitė/Šiaudinis/Reichenbachas 2019 8. Die Autoren bezeichnen die litauische Option eines treu­hän­derischen DVs als 'synthetisches' DV. Die Unterschiede zwischen treuhänderischem DV, indirekten DV-Formen als synthetischem DV oder als E-Geld, sowie 100%-Reservebanking werden leider eher ver­unklart.

[13] Groppa/Curi 2019 6–8, 16, www.inswitch.com/nationwide-mobile-money-system.

[14] Licandro 2018, Bergara/Ponce 2018, IMF Country Report No. 19/64 on Uruguay, Feb 2019, p.16, https://www.gsma.com/ mobilefordevelopment/mobile-money/tch.com/imf-report-defines-uruguayan-central-banks-epeso-as-successful.

[15] GSMA 2018, www.gsma.com/mobilefordevelopment/mobile-money. https://www.inswitch.com/about-inswitch/              

[16] Danezis/Meiklejohn 2016.

[17] Juškaitė/Šiaudinis/Reichenbachas 2019 15.

[18] Juškaitė/Šiaudinis/Reichenbachas 2019 16.

[19] OMFIF/IBM 2019 18.

[20] Häring 2016 85ff., 224ff., 2018.

[21] Cf. Adrian/Mancini-Griffoli 2019 12–15, 2019b, 2019c.

[22] Carney 2019 15.

[23] Mu Changchun, stellvertretender Generaldirektor des Instituts für Digitalgeld der Zentralbank Chinas, sagte kürzlich in einer Rede: 'We just change their payment instruments from the commercial banks’ deposit money to the central bank’s money. ... We are not changing their use cases, their service will remain the same.' EJInSight Blog, Nov 8, 19, Blockchain not suitable for China’s digital currency.

[24] Kumhof/Noone 2018 18–20.  

[25] Levine 2019.                                        

[26] OMFIF/IBM 2019 7, 24, 27, pp.32. 

[27] Vgl. auch Galbraith 1995 [1975], Goodhart 1998, Goodhart/Jensen 2015. Graeber 2012 46–71.

[28] Jacab/Kumhof 2018, Huber 2017 59–67, Werner 2016, Ryan-Collins et al. 2012 12–25.

[29] OMFIF/IBM 2019 pp.28, 30.

[30] Cf. Bjerg 2017, 2018.

[31] Für eine detaillierte Diskussion von Designprinzipien eines CBDC/DV vgl. Meaning et al. 2018, Sveriges Riksbank 2017, 2018, 2018b, Ingves 2018, Kumhof/Noone 2018, IMF 2018, Bjerg 2017, 2018, Huber 2019, Bindseil 2019.

[32] Mayer 2019.

[33] Cf. Huber 2019b.